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Werner
Telesko118
von Genius mit Tuba und Sternenkranz eine
beträchtliche Wirkung entfaltet haben, ist doch
auch in der Titelvignette des Katalogs der in der
Wiener Kapuzinerkirche Bestatteten (Epitaphia
ac Series annorum natalis et obitus corporum Augg.
Regg. et Sereniss. Personarum e domo Austriaca in
Mausoleo caesareo [Wien 1763]) (Abb. 15) dieses
Motiv zentraler Bestandteil der bildlichen Ver-
mittlung der Trauer um Franz Stephan. Zum
Zeitpunkt des Todes des Kaisers, als das Grab-
mal schon elf Jahre existierte, rezipierte man
also bewußt die über Molls Werk vermittelte
Typik als prägendes Kennzeichen der Memo-
ria. Dies wird auch aus anderen Texten deutlich:
Zwei Trauerreden auf Franz Stephan, verfaßt
von Ignaz Wurz62 und Werner Joseph Praite-
naicher63, zeigen als Schlussvignette jeweils eine
identische Darstellung eines von zwei Genien
(mit lorbeerumwundener Tuba und Sternen-
kranz) gehaltenen Porträtmedaillons (Abb. 16).
Offensichtlich ist die erstaunliche Häufung
dieser Darstellungstypen auch im Sinne der be-
wußten Konstituierung einer Imagebildung zu verstehen, die Elemente von Molls Sarkophag
einem größeren Kreis vermitteln sollte.
Die durch Karl VI. ermöglichte Zugänglich-
keit der Kapuzinergruft ab dem Jahr 1717 ge-
währleistete eine Präsenz der Öffentlichkeit, die
im Laufe des 18. Jahrhunderts auch Gegenstand
von zeitgenössischen Wienführern wurde.64 Das
Bewußtsein, ein repräsentatives Ambiente eigens
für den Prunksarkophag zu errichten, ist vor al-
lem aus dem Bau des 1754 geweihten Kuppelrau-
mes ablesbar, der Molls Sarkophag beherbergt. In
gewissem Sinn ist damit ein Zentralbau inner-
halb einer Krypta errichtet worden. Nicht nur
Molls Sarkophag nimmt darin die Rolle eines
denkmalähnlichen Monuments zu Lebzeiten
ein – die Krypta selbst als architektonische Hülle
ist als Ausdruck dieser umfassenden Gedächtnis-
kultur zu verstehen,65 und dies besonders ausge-
zeichnet durch einen Marmoraltar, der sich vor
dem Eingang befand (Abb. 17).
62 Wurz, Trauerrede (zit. Anm. 24).
63 W. J. Praitenaicher, In Funere Francisci I. Romanorum Imperatoris, [...], Wien 1765.
64 Schemper-Sparholz, Grab-Denkmäler (zit. Anm. 23), S. 365 (mit Quellenangaben).
65 Hengerer, Funerals (zit. Anm. 56), S. 393. 16: Trauerreden auf Franz Stephan,
verfaßt von Ignaz Wurz und
Werner Joseph Praitenaicher, Wien
1765, Schlußvignette
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Band
- LIX
- Herausgeber
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Abmessungen
- 19.0 x 26.2 cm
- Seiten
- 280
- Schlagwörter
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur