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Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
Seite - 141 -
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Schriftquelle, allegorische Lektüre und schloss Pommersfelden 141 am Zaum führt.59 Die Gruppe bedeutet Fama chiara.60 Am Pommersfeldener Marstall fliegt Pe- gasus aus der Mitte des Wandaufsatzes zwischen den emporrollenden Giebelvoluten auf und bildet das Zentrum der konvexen, querovalen Hauptfassade (Abb. 5). In der mittleren Längs- und Tiefenachse der Schloßanlage befinden sich Merkur und Pegasus an ähnlich extremen Orten in der Luft einander gegenüber, der eine auf dem Scheitelpunkt der Hoffassade hoch oben lan- dend, der andere aus der Stallfassade nach oben sich schwingend. Freilich ist das Flügelroß zuerst ein augenfäl- liger Verweis auf die Bestimmung dieses „Lust- schlosses der Pferde,“ das in Pommersfelden als extra ornament errichtet wurde, weil die Stallun- gen ehender vor eine schöne orangerie angesehen werden können.61 Einem Schreiben vom 24. September 1718 an Friedrich Karl ist zu entneh- men, daß Lothar Franz vor sein ovales stallsalet... ein hallben pegasum hat setzen lassen, der zimlich in guether proportion über dessen eingang aus der architectur herausspringt undt denotiren solle, zu was dieses gebäue dienet.62 Der Kurfürst ist sich über die sensationelle Darbietung und Situie- rung des Bildwerks völlig im Klaren und streicht besonders die rauschende Dynamik heraus, die Pegasus in die Höhe hinaufheben wird. Mit weit ausgebreiteten Flügeln beginnt er seinen Flug, und das stellt eine die Luft durchqueren- de Verbindung zu Merkur her, der gegenüber den identischen Höhenraum durchflogen hat. Dem gleichen Brief zufolge waren auch schon die uhr undt deren schlag- undt kirchenklocken installiert. Sämtliche Requisiten gehörten für Lothar Franz in einem durchgängigen Aufbau zusammen, dessen Vertikalsequenz erst an der Fahne endet. Eingangsportal und hochovales Fenster, Pegasus, das Zifferblatt der Uhr und das offene Türmchen mit dem Glockenstuhl und der Fahne formieren in der Mittelachse hinaufziehend einen aufstrebenden Prospekt,63 den Statuen Alexanders und Cäsars vor den Säulenpaaren flankieren; auf der Attika sitzen beiderseits Putten mit einer Sonnenscheibe im Strahlenkranz und einer Mondsichel. Flügel- schlag, Schwung und Schall der Glocken und das Flattern der Fahne evozieren raumdurch- dringend lauter atmosphärische Qualitäten, die der elementaren Epiphanie Merkurs als Allego- rie der Luft Folge leisten, und worin er sich im Wirkungskreis von Fama chiara manifestiert. Ein Bedeutungstableau entsteht mit Bezügen zur Geschichtszeit des griechischen und römi- schen Kaiserreichs der Antike, doch ebenso mit Verweisen auf den noch umfassenderen Zeitver- Gesichtszüge Kaiser Karls VI. trägt, und der Personifikation der Europa, die durch imperiale Attribute und Ho- heitszeichen wie Reichskrone und Reichsapfel zu einer Genia Imperii ausstaffiert und aufgewertet ist; mittels solcher Umdeutung fusionieren beide Protagonisten zur Bedeutung des umfassenden Wahlspruchs „Caesar et Imperium“ (Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 151). 59 P. Decker, Fürstlicher Baumeister, Augsburg 1711–1716, Tafel 8; Abbildung bei Stephan, Im Glanz der Majestät (zit. Anm. 46), Tafelband, Abb. 295. 60 Cesare Ripa, Iconologia, Rom 1603, S. 143; Abbildung bei Werner, Ripa’s Iconologia (zit. Anm. 24), Tafel VIII b. 61 Q 354, Lothar Franz an Friedrich Karl schon am 13. März 1714. Weshalb der Marstall die äußere Form einer Orange- rie annehmen und erhalten konnte, behandelt bei Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 129–130. 62 Q 587. Es ist klar, daß die Wahl einer so eigentümlichen und exponierten Pegasus-Darstellung statt der üblichen Pferdeskulpturen in die Richtung der vorgetragenen Auffassung weist und sie bestärkt. 63 Kleiner, Wahrhaffte Vorstellung (zit. Anm. 31), Tafel Nr. 7. Da die architektonische Bildung des Marstalls seit Be- ginn der Planung (Q 348 vom 30. Januar 1714, Lothar Franz an Friedrich Karl) auf ein gefordertes und antwortendes Gegenüber zum vortretenden Treppenhausrisalit mit dem Mittelbau und der Hoffassade angelegt war, herrscht über die Ausdehnung des Ehrenhofes hinweg eine dialogische Beziehung zwischen beiden Raum- und Baugestalten, so daß auch eine ikonologische Raum- und Bildübergreifung anschaulich sich herstellen und zur Wirkung gelangen kann.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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