Seite - 144 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
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walter jürgen
Hofmann144
Das allegorische Doppelspiel folgt einer Dia-
lektik aus Verkündigung und Verschwiegenheit,
wie sie schon das Dotationsdekret kennt. Sie ist
Ausfluß der widerstreitenden Interessen, die darin
zum Ausgleich gelangten. Das Schriftstück ent-
hält alle Zusagen, um den Bau des Schlosses auf
den Weg zu bringen. Dennoch verheimlicht es
den eigentlichen Grund, worauf diese vereinbar-
ten Zugeständnisse fußen, und schiebt eine Ku-
lisse vor die Realität. Es ist selbst das beredte und
zugleich verhohlene Zeugnis einer hintergründi-
gen Intention, die darauf ausgeht, mit dem, wo-
rüber gesprochen wird, ebenso das vorzubringen,
worüber nicht gesprochen werden darf.
Ungesagt, aber vorausweisend kündigt das
Insgeheime sich an. Ins Dekret trägt es eine in-
direkte Sprachhaltung hinein und öffnet es so
einer allegorischen Lektüre. Sie überliefert die Sachgehalte, die hinter dem Erfolg der Kaiser-
wahl stehen, einem mutierenden Sinntransport,
der sie in Bedeutungsgehalte ummodelt. Die
einzelnen Schlüsselworte werden einzeln davon
ergriffen, so daß jedes von ihnen gleichsam eine
allegorische Ladung empfängt. Für die Ikono-
logie des Schlosses besitzt diese Induktion eine
programmatische Wirkung. Ante festum, bevor
der Bau überhaupt begann, hat aus seinen ge-
schichtlichen Voraussetzungen heraus schon die
wesentlichste Vorausbestimmung seiner Konzep-
tion stattgefunden. Für die Bilderwelt Pommers-
feldens wird sie so maßgeblich sein, um sie zu
disponieren. Die Zentralallegorie der Concordia,
doch auch die Allegorie der drei Grazien und die
allegorischen Modifikationen Merkurs haben in
solchen Prädispositionen ihren Ursprung und
sind daraus hervorgegangen.
vIii
Gerade die hintersinnig-exponierte Rolle, die
Merkur in Pommersfelden zu spielen hat, erlaubt
eine Überprüfung der Ergebnisse. Solange der
Marmorsaal noch seine ursprüngliche Bildaus-
stattung besaß, waren seine Wände nach Haupt-
schauplätzen um die jeweiligen Mittelachsen
komponiert. Seinen ganz großen Auftritt hat-
te Merkur dabei auf der „Seite des Kaisers“, der
Schmalwand links vom Hauptportal, wo oberhalb
des Kamins ein hochovales Porträt Karls VI. im
Kniestück hing.67 Den Platz darüber nahm ein
ungewöhnlich großformatiges Gemälde ein, das
Lothar Franz für ein ohnvergleichliches Werk von
Rubens hielt (Abb. 7).68 Seine prominente Posi- tion verdankte es der programmatischen Ausdeu-
tung, der seine bildnerische Vorgabe am neuen
Ort unterzogen wurde. Nach Pommersfeldener
Auslegung, die der Katalog von Byß überliefert,
zeigte es, „Wie Mercurius die goldene Zeit ins
Land bringet.“69 Strahlend vor Glück tritt „Mer-
curius felix“ in Erscheinung und offeriert eine
ansehnliche, mit Gold und Edelstein angefüllte
Schatztruhe, die soeben geöffnet ward und zur
„Dotation“ bereitsteht. Das Goldene Zeitalter ist
in Pommersfelden ein Zeitalter des Goldes,70 und
sein Schatz sind die baren Gulden aus dem kai-
serlichen aerario. Die selbstgefällige und zugleich
exaltierte Attitude, wie sie Merkur an den Tag
67 Gemalt 1714 von Frans Stampart wie sein Pendant auf der „Seite der Kaiserin“ gegenüber, das Bildnis Elisabeth
Christinas. Hofmann, Pommersfelden (zit. Anm. 4), S. 137–143.
68 Q 350.
69 Byss, Kat. (zit. Anm. 32), Marmorsaal Nr. 7 (Hofmann, Pommersfelden (zit. Anm. 4), Abb. 58). Auf Kleiners
Ansicht des Hauptsaals „von seithen des Eingangs gegen der Stiegen“ (Kleiner, Wahrhaffte Vorstellung (zit. Anm.
31), Tafel Nr. 16. Hofmann, Pommersfelden (zit. Anm. 4), Abb. 55) ist noch zu sehen, daß vor der Beschneidung des
Gemäldes ein ummauertes Hafenbecken vorne ins Bild hineinführte, während oben im Himmel Saturn als Schutz-
gott der aetas aurea auf Wolken thronte. – Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 136.
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Band
- LIX
- Herausgeber
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Abmessungen
- 19.0 x 26.2 cm
- Seiten
- 280
- Schlagwörter
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur