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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
Seite - 156 -
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Kerstin Merkel156 Malen im Erwachsenenalter meist nicht weiter praktiziert,12 während die Frauen ihr „Hobby“ beibehielten. Für Frauen des Hochadels war es im wahrsten Sinne des Wortes ein Zeit-Vertreib. Meist ausgeschlossen von politischer Betäti- gungsmöglichkeit, in der Kinderbetreuung reich- lich von Personal unterstützt oder auch ledig und kinderlos, litten sie oftmals unter qualvoller Lan- geweile, die sie mit Lesen, Handarbeiten, Musi- zieren oder eben Zeichnen bekämpften. Im folgenden sollen die Zeichnungen der Habsburger, die als ein Geschenk innerhalb der Familie zu erkennen sind, in chronologischer Reihenfolge vorgestellt und soweit möglich in den jeweiligen biographischen Kontext gestellt und entsprechend hinterfragt werden. Die Tante: Marie Christine (13. Mai 1742 – 24. Juni 1798) Wenn auch die meisten Geschenke aus dem di- rekten Umfeld von Franz I. stammen, so hat sich eines der vorigen Generation im Ordner „von den Tanten seiner Majestät“ erhalten. Die Rötel- zeichnung mit zwei halbfigurigen jungen Frau- en und einem alten Mann (Abb. 1) stammt von Erzherzogin Marie Christine, sicher die talentier- teste Tochter von Maria Theresia. Zeichenunter- richt erhielt sie von einem Maler aus der alten Künstlerfamilie Grassi.13 Marie Christine beließ es nicht bei Zeichnungen, sondern wagte sich an kleinformatige eigene Gouache- oder Aquarell- Kompositionen, bei denen aber meist eine gra- phische Vorlage zugrunde liegt, die sie mehr oder weniger abgeändert hat. Am bekanntesten sind das „Nikolausfest“ und die „Wochenstube“, bei- des Bilder nach Vorlagen von Cornelis Troost.14 Bei der Rötelzeichnung von Marie Christine ergibt sich die Schwierigkeit, daß sie ohne Da- tum und ohne Adressat überliefert ist, aber die Widmung führt den Betrachter auf den richtigen Weg. Genau genommen sind es sogar zwei Wid- mungen. Auf den ersten Blick sieht der Betrach- ter oder Empfänger eine italienische Widmung: Vostra affectosissima Sorella ed amica Cristina. Bei genauerem Hinschauen jedoch handelt es sich um einen Papierstreifen, der nur an den beiden äußeren Rändern fixiert ist, so daß man ihn ab- heben und eine zweite Widmung darunter lesen kann, jetzt in französischer Sprache Votre tres affectionée Soeur et amie (Abb. 2). In der poly- glotten Familie der Habsburger standen Fremd- sprachen auf dem Pflichtprogramm der Kinder an oberster Stelle. Bei den Mädchen wurde die Wahl der Fremdsprache oft gezielt auf den zu- künftigen Ehemann und dessen Muttersprache ausgerichtet. Mit der bilingualen Widmung soll- te vielleicht jemand angesprochen werden, der italienisch sprach, aber dessen Herz besonders an der französischen Sprache hing, die als „Über- raschung“ unter dem italienischen Spruchband bereitlag. 12 Eines der wenigen Beispiele eines männlichen Amateurs ist Friedrich Wilhelm I., der in der Ölmalerei Entspannung suchte, sicher einer der wenigen Wesenszüge, die er von seiner kunstsinnigen Mutter Sophie Charlotte übernom- men hat und die von seiner ebenso kunstsinnigen Tochter Wilhelmine von Bayreuth als „Schmiererei“ verspot- tet wurde, vgl. A. Kolb (Hrsg.), Memoiren der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, Leipzig 1920, S. 353; G. Bartoschek/H.-J. Giersberg/C. Sommer/U. Weickhardt, Friedrich Wilhelm I. Der Soldatenkönig als Maler, Ausstellungskatalog, Sanssouci, Turmgalerie der Orangerie, 08.07.1990–14.19.1990, Potsdam 1990. 13 C. Pangels, Die Kinder Maria Theresias. Leben und Schicksal in kaiserlichem Glanz, München 1980, S. 162–222, zu Grassi S. 167. Leider überliefert Pangels nicht den Vornamen des Künstlers, dessen Familie aus Malern, aber auch Kunsthandwerkern recht zahlreich ist. Von Marie Christine sind zahlreiche Aquarelle in der Albertina erhalten, die in der hier vorliegenden Arbeit leider nicht berücksichtigt werden konnten. Zu Marie Christines künstlerischer Betätigung vgl. auch F. Weissensteiner, Die Töchter Maria Theresias, Wien 1994, S. 62–63. 14 Barta, Familienporträts (zit. Anm. 3), S. 134–135.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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