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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
Seite - 169 -
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der guten Mutter ... dem besten Vater 169 einen See und eine untergehende Sonne. Mit großer Detailverliebtheit setzt die Malerin einzel- ne Blüten und Blätter ein, eine Eidechse sonnt sich im Vordergrund. Unkonventionell sind zwei nackte Gestalten, die vom Baden kommen. Während die Erzherzöge sehr wohl Aktzeichnen lernten,43 blieb diese Gattung den Mädchen vor- enthalten. Das merkt man der Anatomie der bei- den Badenden auch an. Es läßt sich beim besten Willen nicht sagen, ob es männliche oder weib- liche Akte sind. Die mittlerweile fünfzehnjährige wählte mit dieser sinnlich-romantischen Szene in pubertärer Forschheit ein durchaus ungewöhnli- ches Motiv für ihren Vater aus. Nur wenige Monate später, zum Geburtstag von Franz am 12. Februar 1807, lieferte sie wieder ein konventionelles Motiv als Geschenk (Abb. 11). Mit weißer und brauner Kreide auf brau- nes Papier gezeichnet, erfreute sie ihren Vater mit dem Bild einer Dame im tiefdekolletierten Kostüm, mit Diadem und Schleier. Die übergro- ßen Augen und der volle Mund erinnern immer noch an die Stereotypen, die sich die Erzherzogin schon in ihren ornamental geprägten Bildnissen angewöhnt hat. Das Image von Marie Luise als Künstlerin wurde auch in ihrer Zeit als französi- sche Kaiserin weitergepflegt. Alexandre Menjaud (1773–1832) malte sie in als Porträtisten ihres Ge- mahls Napoleon, der sich in entsprechender Pose vor seiner sitzenden Ehefrau aufgebaut hat.44 Ins- gesamt war Marie Louise eine besonders fleißige Zeichnerin und aufmerksame Schenkerin, die ihr Dilettantentum auch noch als Erwachsene weiter pflegte. Der Thronfolger Ferdinand I. (19. April 1793 – 29. Juni 1875) Ein besonders interessanter Fall sind ohne Zwei- fel die Geschenke von Ferdinand, dessen Image in der Forschung nach wie vor schwer belastet ist. An Epilepsie und einem Hydrocaphalus lei- dend, mußte er immer wieder die Symptome dieser Krankheiten ertragen. Doch so geistes- schwach, wie er immer wieder beschrieben wird, war er nicht.45 Ein beredtes Zeugnis legen seine Geschenke für seine Eltern ab, aber auch die Fülle seiner sonstigen Zeichnungen. Landkarten und Festungsarchitektur bezeugen seine penible und akribische Zeichentechnik, zahlreiche Blät- ter mit physiognomischen und anatomischen Studien einen systematischen Zeichenunterricht, kolorierte Stiche sein Farbgefühl und einige recht freie Zeichnungen eine unglaubliche Entwick- lung, die der jugendliche Habsburger nach einer vernachlässigten, wenn nicht gar verwahrlosten Kindheit gemacht hat. In der zeitgenössischen Lehrmeinung vertrat man die Auffassung, daß man epileptische Kinder auf gar keinen Fall kör- perlich oder geistig belasten solle. Bei Ferdinand führte das zu einer völligen Isolation, verursacht durch die Gutachten vom kaiserlichen Leibarzt Dr. von Stifft. Bis zu seinem neunten Lebensjahr gab es keinerlei geistige Anregung.46 Als 1802 Franz Maria von Steffaneo-Carnea die Stelle eines Ajos bei Ferdinand antrat, be- gann der Junge aufzublühen. Treppensteigen, ein Wasserglas halten, die Türen öffnen – alles mußte mühsam erlernt werden, doch schon 1803 prä- sentierte er sich sogar als souveräner Reiter. Sei- 43 Viele Studien sind von Franz I., vor allem aber von seinem Bruder Ludwig erhalten. 44 A. Pomme de Mirimonde, Les dépenses d’art des Impératrices Joséphine et Marie-Louise, Teil II: Marie Louise; in: Gazette des beaux-arts 99, 1957, S. 137–153. 45 Für die historische Forschung ist dieser Kaiser bisher nur von geringem Interesse, so daß man auf keine aktuelle wis- senschaftliche Biographie zurückgreifen kann. Lediglich ein Werk bietet einen quellengestützten seriösen Einblick: G. Holler, Gerechtigkeit für Ferdinand. Österreichs gütiger Kaiser, München 1986. 46 Holler, Ferdinand (zit. Anm. 45), S. 40, 50ff.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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