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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
Seite - 194 -
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IRIS wIEN194 kop – keine neuen Details zu Tage brachte, son- dern einfach alles proportional aufblähte, könnte man sagen, daß die Darstellung des Motivs we- niger dicht wurde. Während sich das Motiv in der materiellen Oberfläche des Bildes aufzulösen begann, wurde das Medium in seiner materiel- len Bedingtheit um so greifbarer. Dies wurde zusätzlich dadurch gesteigert, daß bewußt Fehler im Sieb stehen gelassen und Kontraste verstärkt wurden, so daß die Repräsentation als solche be- tont wird und die mimetische Kraft gleichzeitig abnimmt. Die Offensichtlichkeit aller bildneri- schen Eingriffe führt dazu, daß ihre Wirkungen nicht mehr dem „künstlerischen Ausdruck“ des Dargestellten zugeschrieben werden müssen, sondern vom Betrachter immer auch als Effekte der Bildmanipulation gesehen werden können. Auch Warhols Eingriffe in das Aufnahme- dispositiv offenbaren sich dem Betrachter als In- szenierung. So wurden viele der Auftragsporträts der 1970er Jahre von den Kunden abgelehnt, ver- mutlich, da sie mit den extremen und oft grob- schlächtigen Veränderungen, denen ihr Bildnis im Arbeitsprozeß unterworfen wurde, nicht ein- verstanden waren.18 Wie Mitarbeiter der Facto- ry berichten, begann die Verwandlung ins Bild schon damit, daß die Modelle, oft von Warhol selbst, stark geschminkt und zurecht gemacht wurden. Die jüngste Forschung hat Warhols Be- streben, eine fiktive Identität für seine Modelle zu fabrizieren, mit Hilfe von Gilles Deleuze und Félix Guattaris Konzeption der machinistisch produzierten Subjektivität gedeutet, in der der Anspruch des Gesichts auf Signifikanz radikal ausgehöhlt und statt dessen die Geschichte sei- ner Erschaffung erzählt wird.19 Dadurch, daß das Gesicht zum „konstruierten Objekt“ wird, kann es aufgrund der dabei angestrebten Abstraktion als Schirm für die Projektionen des Betrachters dienen. Auch sich selber unterwarf der Künstler dieser Prozedur, wobei die Schminke sein Ge- sicht zugleich verbarg und herausstellte. In einer Photo serie von Selbstbildnissen in Frauenklei- dern überschritt Warhol ironisch provozierend die gesellschaftlichen Normen der Identitäts- konstruktion, so daß anschaulich wird, daß die eigene Identität an performative Akte gebunden ist. Da sich Warhols Selbstinszenierungen jedoch wiederum an stereotypen weiblichen Schönheits- idealen orientieren, bringen sie die selbst erschaf- fene Identität, die zugleich als geschlechtlich nicht fixierte gezeigt wird, paradoxerweise wieder zur Erstarrung. 18 N. Baume, About face: Andy Warhol portraits, Ausstellungskatalog, Hartford (Conn.), Wadsworth Atheneum, 23.09.1999–30.01.2000, Miami (Florida), Art Museum, 24.03.2000–04.06.2000, Cambridge, 1999, S. 96. Die spä- ten Arbeiten der 1970er und 1980er Jahre übergeht beispielsweise R. Crone, Form and Ideology: Warhol’s Tech- niques from Blotted Line to Form, in: G. Garrels (Hrsg.), The Work of Andy Warhol, Seattle 1989, S. 70–92. An- dere, etwa Thomas Crow, kritisierten Warhols Rückkehr zur Malerei und unterscheiden zwischen einem kritischen, „guten“ Warhol der 1960er Jahre und einem korrupten Warhol der 1970er und 1980er Jahre, wie schon Paul Mattick in seiner Diskussion der Literatur zu Warhol beobachtet hat. P. Mattick, The Andy Warhol of Philosophy and the Philosophy of Andy Warhol, in: Critical Inquiry, 24, 1998, S. 965–987, hier S. 975. Doch ist festzuhalten, daß die „abstrakten“ Arbeiten der 1980er Jahre auf dem Kunstmarkt und in der Kritik wiederum positive Resonanz fanden. 19 Baume, About face (zit. Anm. 18), S. 89–91. J. W. Smith, Hollywoodstars und edle Wilde. Andy Warhols Pho- tosammlung, in: Heinrich, Andy Warhol (zit. Anm. 16), S. 27. Zu Deleuze und Guattari, s. N. Suthor, Gilles Deleuze – Félix Guattari: Das Gesicht ist Politik, in: R. Preimesberger/H. Baader/N. Suthor (Hrsg.), Porträt. Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren, Bd. 2, Berlin 1999, S. 464–477.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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