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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
Seite - 195 -
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eIN pOP-KÜNSTLER ALS mEDUSA? 195 Anders als in der traditionellen Porträtmalerei spielte es für Warhols Arbeitsprozeß keine Rolle, ob es sich um das Porträt eines anderen oder das des Künstlers selbst handelte. Im Grunde kann man, was den künstlerischen Prozeß im Studio anbelangt, auch keine wesentlichen Differenzen zu allen anderen von Warhol in den Siebdruck- Gemälden verwendeten Motiven feststellen. Immer tritt als vermittelnde Instanz eine Photo- graphie oder eine auf eine Photographie zurück- gehende Reproduktion des zu Zeigenden auf, so daß alle seine Bilder gleichsam Bilder zweiter, dritter oder n-ter Potenz sind.20 Diese vorder- gründige Beliebigkeit des Motivs wird im Fall der beiden Selbstbildnisse von 1986 noch dadurch betont, daß Warhol sie im Kontext einer Selbst- bildnis-Serie produzierte, die auf Anregung sei- nes Londoner Galeristen Anthony d’Offey ent- stand. Diesem war aufgefallen, daß der Künstler schon lange keine Selbstporträts mehr geschaffen hatte.21 Wenn aber im Werk von Andy Warhol ein Bild ebenso gut an die Stelle eines anderen Bil- des treten kann, mithin alle Bilder, alle Motive gleichwertig und damit austauschbar werden, läßt sich auch den Selbstbildnissen kein geson- derter Stellenwert zuschreiben. Was von den übrigen Bildnissen aus der Hand Warhols zu sa- gen ist, läßt sich dann gleichsam auch von den Selbstbildnissen des Künstlers sagen und vice versa. Dennoch verschärft sich die bei allen Wer- ken von Warhol und insbesondere den Porträts zum Tragen kommende Bildproblematik, die mit dem Verlust eines unmittelbaren Referenten zu- sammenhängt und die Frage nach der Grundlage dieser Repräsentationen aufwirft, in den beiden kleinen Selbstbildnissen. Dies kann man auf die Erwartungshaltung zurückführen, mit der der Betrachter an ein Selbstbildnis eines Künstlers herantritt. Was aber mag es heißen, daß der psy- chologische Unterschied, der zwischen der Arbeit an einem eigenen Bildnis und der Arbeit am Por- trät eines anderen besteht, bei Warhol in den im- mer gleichen Verfahren seiner Bilderproduktion vollkommen aufgehoben zu sein scheint? Warhol verwendete nicht nur in den beiden von mir als Medusa gesehenen Selbstbildnissen das Negativ der photographischen Vorlage. Viel- mehr gehörte das Experimentieren mit Negativ- bildern spätestens seit der Reversal-Serie von 1979 zum künstlerischen Standardrepertoire Warhols. Schon für das Porträt von Sidney Janis von 1967 BILD UND SELBSTBILD 20 Vgl. hierzu a. M. Lüthy, Andy Warhol. Thirty Are Better Than One, Frankfurt am Main/Leipzig 1995, S. 108 f., u. ders., Die scheinbare Wiederkehr der Repräsentation. Ambivalenzstrukturen in Warhols frühem Werk, in: M. Schwander (Hrsg.), Andy Warhol Paintings 1960–1986, Ausstellungskatalog, Luzern, Kunstmuseum, 09.07.1995– 24.09.1995, Ostfildern-Ruit 1995, S. 31–42. 21 Bezeichnend ist zudem, daß, als Anthony d’Offey vor der Wirkmächtigkeit des Motivs der hier diskutierten Selbst- bildnisse zurückschreckte, Warhol bereitwillig eine zweite Selbstbildnis-Serie in Fright-Wig anfertigte. Die Darstel- lung wurde nun durch die unmittelbare Positionierung des Gesichts am unteren Bildrand entschärft, so daß die schreckliche Assoziation des Betrachters, hier werde ein vom Körper abgetrennter Kopf gezeigt, nicht aufkommt. Wie beides überdeutlich macht, einerseits Warhols Bitte an den Galeristen, ein Motiv für die Produktion der Ge- mälde seiner nächsten Galerie-Ausstellung vorzuschlagen, andererseits aber auch seine Bereitwilligkeit den Kunst- händler als Mediator seiner Produkte in den ästhetischen Entstehungsprozeß eingreifen zu lassen und Form und Gehalt seiner Werke zur Disposition zu stellen, provoziert Warhol mit dieser Strategie, daß der kommerzielle Wert der Werke offensichtlich wird und an die Stelle ihres ästhetischen Wertes rückt. Elger zitiert einen Brief d’Offeys, in dem der Galerist seinen Anteil an der Genese der Selbstbildnisserien erläutert. Elger, Die beste Amerikanische Erfindung (zit. Anm. 3), S. 104. Vgl. hierzu a. T. De Duve, Andy Warhol, or The Machine perfected, in: October 48, 1989, S. 3–14. Zur permanenten Überschreitung der Grenze von Kunst und Werbung bei Warhol, s. den hervor- ragenden Aufsatz von D. E. James, The Unsecret Life: A Warhol Advertisement, in: October 56, 1991, S. 21–41.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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