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1984 (Abb. 6) verweist Warhol am deutlichsten
auf die Verortung des Betrachters durch das Bild.
Der Ort des Interpreten stellt sich hier als ein äu-
ßerst prekärer dar. Indem die Rorschach-Bilder
ihn als einen imaginären Ort bestimmen, verwei-
sen sie darauf, daß der Interpret bei der Deutung
eines Bildes immer auch eine Interpretation sei-
ner selbst liefert. Die Übergröße der Tafeln läßt
die abstrakten Muster übermächtig werden, so
daß das Moment der Konfrontation bei der Be-
trachtung der Bilder, deren symmetrische Motive
durch ein manuelles Abklatschverfahren gewon-
nen wurden, bewußt wird. In einem Interview
mit Robert Nickas meinte Warhol, daß er in den
Rorschach-Tests nichts anderes als harmlose Fle-
cken – Hundeköpfe, Bäume oder Blumen – sehen könne und betonte, wie schwierig es gewesen sei,
diese Bilder interessant aussehen zu lassen. Ihre
Interpretation überläßt er den Betrachtern. Oh-
nehin könnten diese viel mehr in ihnen sehen
als er selber.39 Über ihre suggestive Qualität eine
Verbindung zum Künstler und seine mögliche
künstlerische Intention herstellen zu wollen, ver-
bietet sich unter diesen Umständen. Wie Rosalind
Krauss gezeigt hat, ist dies erst auf der konzeptuel-
len Ebene möglich, die das Rorschach-Muster als
Bild eines Rorschach-Bildes, also als Zeichen für
den psychologischen Test liest.40 Warhol bezeich-
nete die Rorschach-Bilder als Repräsentanten eines
„abstrakten Look“, an dem er zur Zeit arbeite und
der ihn ebenso an den Oxidations (1978) und den
Camouflage-Bildern (1986) interessiert habe.41
6: Andy Warhol, Rorschach, 1984, Kunst-
harzfarbe auf Leinwand, 419,1 x 302,3 cm,
The Andy Warhol Museum, Pittsburgh,
Founding Collection, Contribution The Andy
Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.
39 S. R. Nickas, Andy Warhols Rorschachtest, in: Francis, Andy Warhol (zit. Anm. 25), S. 98–101, hier S. 98.
40 Krauss, Körperliches Wissen (zit. Anm. 31), S. 102–107.
41 Nickas, Andy Warhols (zit. Anm. 39), S. 99.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Band
- LIX
- Herausgeber
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Abmessungen
- 19.0 x 26.2 cm
- Seiten
- 280
- Schlagwörter
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur