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SportfunktionärInnen und gesellschaftliche Partizipation 9
und jüdischer Differenz imWien der Zwischenkriegszeit zu erhalten: Sport –
insbesondereFußball–entwickeltesich,wieerwähnt, indenJahrennachdem
ErstenWeltkriegzueinemMassenphänomen,dasdieStadteroberte:DiePubli-
kumszahlen bei Sportveranstaltungen stiegen in den frühen 1920er-Jahren
stark an. Es wurden zahlreiche große Sportanlagen errichtetet, parallel dazu
wurdeSportauchzueinembreitenThemadermedialenBerichterstattung.Die
Sportrubriken in den Tageszeitungenwurden erweitert, zudemerschienen ei-
gene Sportzeitungen.32 Vereins- undVerbandsfunktionäre bzw. -funktionärin-
nennahmen innerhalbdieses Feldes eine spezifischeRolle ein.
DerGroßteil derFunktionärInnenagierteehrenamtlich,waralsonichtnur
im Sportgeschehen aktiv, sondern zugleich in „bürgerlichen“ Berufen, sei es
als Arzt, Fabrikant, Jurist oder (Klein-)Gewerbetreibende bis hin zu Journalis-
ten, Schriftstellern und Künstlern, oder, als ArbeitersportfunktionärInnen, in
der Sozialdemokratie. Die Biografien dieser SportfunktionärInnen vereinen
Praxen in unterschiedlichen sozialen Feldern – dem Sport sowie beruflichen
und sozialenMilieus. Ziel unseres Projekteswar nicht nur der Versuch, diese
Felder imHinblick aufMöglichkeiten undGrenzen jüdischer Partizipation zu
vergleichen, sondern auch die Wechselwirkungen und Netzwerke zwischen
ihnenzuuntersuchen.Zumeinen lassensichsomit inderFigurdesSportfunk-
tionärs verschiedene Lebensentwürfe, aber auch unterschiedliche Zuschrei-
bungen in einer Person zusammenführen,wenn, imSinneAlthussers, die be-
troffenenHandelnden unterschiedlich „angerufen“wurden.33 Das gilt gerade
auchbezüglichderperformativenKonstruktion jüdischerDifferenz.34Denndie
AnrufungalsentscheidenderVorgangderSubjektivierungbedingt,dassUnter-
werfung und Beherrschung gerade nicht „durch ein Subjekt vollzogen oder
performiertwerden“kann, sondern immerdesAnderenbedarf.35Weder Jude/
schränkte „Eigenweltlichkeit“ zuerkennt, vgl. z.B. GunterGebauer, Sport in der Gesellschaft
des Spektakels (Sankt Augustin 2002); Christiane Eisenberg, „English Sports“ und deutsche
Bürger. EineGesellschaftsgeschichte 1800–1939 (Paderborn 1999).
32 Vgl. etwaRomanHorak,WolfgangMaderthaner,Mehr als einSpiel. Fußball undpopulare
Kulturen imWienderModerne (Wien1997);MatthiasMarschik,VomHerrenspiel zumMänner-
sport: Modernismus –Meisterschaft – Massenspektakel. Die ersten dreißig Jahre Fußball in
Wien (Wien 1997).
33 LouisAlthusser, Ideologie und ideologische Staatsapparate. Anmerkungen für eineUnter-
suchung. In: LouisAlthusser, Ideologieund ideologischeStaatsapparate.Aufsätze zurmarxis-
tischenTheorie (Hamburg 1977) 108–153.
34 KlausHödl, JüdischesLeben imWienerFin-de-Siècle.PerformanzalsmethodischerAnsatz
zurErforschung jüdischerGeschichte. In:Stern,Eichinger (Hg.),Wienunddie jüdischeErfah-
rung, 399–418.
35 JudithButler, PsychederMacht.DasSubjekt derUnterwerfung (Frankfurt/M. 2002) 110.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918