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30 2 Arierparagrafen und andere Ausschlussmechanismen
sche Staatsbürgerschaft konnte nur erhalten, wer bereits vor dem 1. August
1914 seinen ordentlichen Wohnsitz im „Gebiete der Republik Deutschöster-
reich“hatte,hierbzw. ineinerGemeindedesbisherigenÖsterreich„heimatbe-
rechtigt“ war –mit „Ausnahme Dalmatiens, Istriens und Galiziens“.28 Damit
war den vielen ausGalizien stammenden jüdischenKriegsflüchtlingendie ös-
terreichischeStaatsbürgerschaft verwehrt.
Die Frage jüdischer Zuwanderungausdemehemals österreichischen „Os-
ten“erweiterteauchdieDiskussionenüberJudenimSportbzw.überden„jüdi-
schenSport“.DieÜbergängevonderAusgrenzungder „Ostjuden“zuderaller
Judenwaren in vielen Fällen allerdings fließend.DerVersuchbereits inWien
etablierter JudenundJüdinnen,sichvondenNeuankömmlingenabzugrenzen,
halfwenig, zumal imSportbereich.Wurdedennicht seltenderOrthodoxiena-
hestehenden„Ostjuden“mehrheitlicheinedeutlicheDistanzzumodernenEnt-
wicklungen, also geradeauchdemSport, nachgesagt, konstatierteman ihnen
inder zionistischenPresseeinhohesMaßanEngagement:Obgleich ihnender
Sport„fremd“gewesenseiund„alsUnartigesundSchlechtes“galt, sei esdem
SCHakoah gelungen, bei vielen „Ghettojuden“ das Interesse amSport zu er-
wecken.Sie „wurden treueAnhängerdesSportklubsHakoah,bejubelten fana-
tisch jedenSiegundbetrauerten jedeNiederlage“.Viele jungeZuwandererhät-
ten zudem den Drang verspürt, es „der Hakoah nachzutun“, und innerhalb
weniger Jahre „an zwanzigneue jüdischeSportvereine“gegründet.29
Arierparagrafen in alpinenVereinen
In zahlreichen Sportvereinen und -verbändenwurden die – seit 1896/97 zwar
nicht verstummten, aber leiser gewordenen – Rufe nach demAusschluss von
JudenausdemSportbetriebunmittelbarnachdemErstenWeltkriegwieder lau-
ter. Die prominentesten Beispiele für Arierparagrafen sind der Deutsche und
Oesterreichische Alpenverein (DuOeAV) und der Österreichische Skiverband
(ÖSV). Sie waren aber nicht die einzigen. Bereits am 29. April 1921 beschloss
eine außerordentlicheGeneralversammlungder ZentraleWiendesÖsterreichi-
schen Touristenklubsmit 3.060 zu 784 Stimmen, dass nur „Personen arischer
28 Staatsgesetzblatt für den Staat Deutschösterreich. Gesetz vom 5. Dezember 1918 über das
deutschösterreichischeStaatsbürgerrecht. § 2, 129.
29 Emanuel Fiscus, Der jüdische Sport und die Ostjuden. In: Wiener Morgenzeitung (22.8.
1920) 7.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918