Seite - 42 - in Sportfunktionäre und jüdische Differenz - Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
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42 2 Arierparagrafen und andere Ausschlussmechanismen
Maßgeblich für die Vorgangsweise zwischen 1918 und 1938 dürfte aber nicht
dieVorgeschichtederFußballsektiongewesensein,derVerein führtevielmehr
die imWiener Cyclisten-Club mindestens seit Mitte der 1890er-Jahre geübte
Praxis fort: Eswerdenkeine Judenaufgenommen,dieseRegelwirdabernicht
in den Statuten festgehalten, sie ist auch kein Thema der Vereinspublika-
tionen, Wettkämpfe gegen Juden oder jüdische Vereine werden mit großer
Selbstverständlichkeitdurchgeführt.Dasgaltnichtnur fürdenMeisterschafts-
betrieb, sondern auch für Freundschaftsspiele, von denen die Fußballsektion
viele gegendieHakoahaustrug.Dazupasst dieHaltungvonWilly Schmieger,
Journalist und Funktionär desWiener Sport-Club: Als der Deutsche Sportver-
ein Leoben sich im Jahr 1923 weigerte, gegen die Grazer Hakoah zu spielen,
schrieb er: „DerVerein kann tun,was erwill und seineMitglieder aussuchen,
wie es ihmpaßt, der Verband hat allen zugänglich zu sein, unparteiisch und
unpolitischzusein. JedesAbweichenvondiesemWege ist einSchritt zumAb-
grund.“78DasVerhaltendesPublikumsbei denSpielen zwischenderHakoah
unddemWienerSport-Clubwirdsehrunterschiedlichbeschrieben:DieSpann-
breite reichte von großer Freundschaftlichkeit bis zu pogromartiger Stim-
mung.79
Wie aber wurde die Aufnahme von Juden in den Verein verhindert? Das
zentraleMittel waren die grundsätzlich hohenHürden für neueMitglieder. So
waretwa imJahr1924 fürdieordentlicheMitgliedschafteine fünfjährigeaußer-
ordentlicheMitgliedschaftbzw. Jugendmitgliedschaftnötig,zusätzlichbrauchte
maneine „Dreiviertel-Stimmenmehrheit derKlubleitung“.80Außerordentliches
Mitglied konntewiederumnurwerden, wer von zwei Klubleitungsmitgliedern
dazuempfohlenwurde.DurcheinenderartigenAufnahmemoduskanneinVer-
ein gut regulieren,wener aufnimmtundwennicht. Dass dabei auch ideologi-
sche Fragen eine Rolle spielten, lässt ein Einladungsschreiben vermuten, in
dem einem zukünftigenMitglied bescheinigt wird, über eine „freundliche Ge-
sinnungfürdasdeutschchristlicheVolkstum“zuverfügen.81EineandereDiskri-
minierungwardagegen indenStatuten festgeschrieben: Frauenkonnten zwar
MitgliederdesVereinswerdenund ihnenstand„nachMaßgabederVerhältnis-
se und nach den Bestimmungen der Klubleitung an den vom Klub betrieben
Sportarten“das „Anrecht aufBenützungdergesellschaftlichenKlublokalitäten
imSinnderHausordnung“ zu.82 Siehattenaber keinStimmrecht.
78 Illustriertes Sportblatt (24. 11. 1923) 4.
79 SiehedazuKapitel 8.
80 MitteilungendesWiener Sport-Club 2,H. 11 (Juli 1924) 11.
81 Archiv desWiener Sport-Club, Aufnahme-Schreiben „deutschchristliches Volkstum“, un-
datiert.
82 MitteilungendesWiener Sport-Club 2,H. 11 (Juli 1924) 11.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918