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56 3 Wiener Judentum und Wiener Sport in der Zwischenkriegszeit
schloss (Can. 1086 § 1), war für eine kirchliche Trauung zweier Personenmit
diesenReligionsbekenntnissenzudemeinentsprechenderDispensderkatholi-
schenKirchenotwendig.50
Zwischen1920und1930tratenjährlichrund1.000Personenundmehrheit-
lich Frauen – sowohl für Eheschließungen aber wohl auch aus politischen
und/oder emanzipatorischen Gründen – aus der IKGWien aus.51 Nach 1930
bewegten sichdieAustritte auf etwasniedrigeremNiveauund lagenbei rund
800 im Jahr 1931 undetwa 500 im Jahr 1935.52 Insgesamthandelte es sichum
weitere rund 18.000Personen, die nachEnde des ErstenWeltkrieges bis zum
„Anschluss“ 1938 austraten.53 Beinahe die Hälfte der Ausgetretenen schloss
sich der katholischenKirche an, rund ein Viertel der evangelischen, der Rest
bliebkonfessionslos.54NebendenAustrittengelten ein allgemeinerGeburten-
rückgang55, eine erhöhte Sterblichkeit durch Überalterung und eine negative
Wanderungsbilanz – d.h. Abwanderung ausWien, vorrangig in die USAund
nach Palästina – zu den Gründen des jüdischen Bevölkerungsrücklaufs seit
1927.56
50 Norbert Lüdecke, §86. Die rechtliche Ehefähigkeit und die Ehehindernisse. In: Stephan
Haering,WilhelmRees,HeribertSchmitz (Hg.),HandbuchdeskatholischenKirchenrechts (Re-
gensburg 32015) 1282–1314. Im Judentumgibt es den (fürKatholikInnenauchheute nochnot-
wendigen) Dispens dieser Art nicht, interreligiöse Heiraten gelten als ungültig. Erich Rosen-
thal, Ben-Zion Schereschewsky, Mervin Verbit, Sergio DellaPergola, Mixed Marriage,
Intermarriage. In: Michael Berenbaum, Fred Skolnik (Hg.), Encyclopaedia Judaica, Band 14
(Detroit 22007) 373–385.
51 Lichtblau, Integration, 504;Goldhammer, JudenWiens, 7, 33f., 65. ZudenAustrittsmotiven
von Frauen vgl. auch Michaela Raggam-Blesch, „Being different where being different was
definitely not good.“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen inWien. In: Stern, Eichinger
(Hg.),Wienunddie jüdischeErfahrung,257–276;Staudacher,Austritt, 11.Vgl. auchMagistrats-
abteilung für Statistik, Jahrbuch 1929, (NF, 1. Jahrgang) 40f.; Bundesamt für Statistik (Hg.),
StatistischesHandbuch für den Bundesstaat Österreich, 17. Jahrgang (Wien 1937) 25; Bericht,
1933–36, 109.
52 Magistratsabteilung für Statistik, Jahrbuch 1930–1935, 204.
53 Philomena Leitner, Assimilation, AntisemitismusundNS-Verfolgung. Austritte aus der Jü-
dischenGemeinde inWien 1900–1944 (Diss.UniversitätWien 2003) 152.
54 Goldhammer, JudenWiens, 31.DasPhänomendesAustritts ausderReligionsgemeinschaft
war in den 1920er-Jahren jedoch kein spezifisch jüdisches; auch die katholische Religionsge-
meinschaftwarmitAustrittsbewegungenkonfrontiert.Lichtblau, Partizipation, 237f.; Bundes-
amt fürStatistik,Volkszählung1934,Textheft,49,51f.; vgl. auchBundesamt fürStatistik (Hg.),
StatistischesHandbuch fürdenBundesstaatÖsterreich, 15. Jahrgang (Wien 1935) 36.
55 EineAufstellungübermehrere Jahre findet sich imBericht, 1933–1936, 109;Lichtblau, Par-
tizipation, 234–238, insb. 236.
56 Lichtblau, 501ff.;Lichtblau, Partizipation, 235f.;Maderegger, Ständestaat, 2; JonnyMoser,
Demographie der jüdischen Bevölkerung Österreichs: 1938–1945 (Dokumentationsarchiv des
ÖsterreichischenWiderstandes,Wien 1999) 11, 22;Goldhammer, JudenWiens, 15ff.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918