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Die jüdische Bevölkerung Wiens in der Zwischenkriegszeit 61
Von den österreichischen Juden und Jüdinnen stand rund ein Drittel im Er-
werbsleben (36,5 Prozent, ca. 65.000 Personen,Wert von Anfang 1938);81 sie
bildeten damit rund 2,3 Prozent aller Erwerbstätigen in Österreich.82 Die Er-
werbsquote der jüdischen Bevölkerung war im Vergleich zur durchschnittli-
chen Erwerbsquote inÖsterreich (50,1 Prozent;Wert von 1934) geringer. Eine
Ursache dafür lag wohl in der Überalterung dieser Bevölkerungsgruppe und
in der geringeren Erwerbstätigkeit von jüdischen Frauen.83 In einer aus 1953
stammenden, retrospektiven Schätzungwurden die jüdischen Erwerbstätigen
in einemAusmaß von 50 Prozent dem „wohlhabenderen bürgerlichenMittel-
stand“ zugerechnet.84
Dramatischer Epilog: 1938bis 1945
Zum Zeitpunkt des „Anschlusses“ am 12. März 1938 lebten wegen Geburten-
rückgangs und einer geringfügigen Auswanderung etwasweniger Juden und
Jüdinnen inÖsterreich als im Jahr 1934; nach denBerechnungen desHistori-
kers JonnyMoser handelte es sichum167.249Personen inWienund 14.633 in
denBundesländern (gesamt: 181.882).85 Rund24.000weiterePersonenerhiel-
tendurchdieNS-Definitionder ab 20.Mai 1938 inÖsterreichgeltendenNürn-
berger Gesetze den „Personenstand“ eines Judenoder einer Jüdin zugeschrie-
ben, ungeachtet dessen, ob sie der IKG angehörten, sichmit dem Judentum
identifiziertenoder religiös lebten.86FürdieNS-Behördengaltwegenderzahl-
scheinenundGeringstverdienenden.Goldhammer,Berufsgliederung,2.DurchdiesenUmstand
könnenetwaigeVerzerrungen indenRelativwertennicht ausgeschlossenwerden.
81 Clemens Jabloneret al., SchlussberichtderHistorikerkommissionderRepublikÖsterreich:
VermögensentzugwährendderNS-Zeit sowie RückstellungenundEntschädigungen seit 1945
in Österreich. Zusammenfassungen und Einschätzungen (Veröffentlichungen der Österreichi-
schenHistorikerkommission 1,Wien/München 2003) 138.
82 Fuchs, Vermögensverkehrsstelle, 6, 8;Mejstrik et al., Berufsschädigungen, 98f.
83 Jabloner, Schlussbericht, 138;Mejstrik et al., Berufsschädigungen, 98f.;Goldhammer, Ju-
denWiens, 55.
84 Mejstrik et al., Berufsschädigungen, 103f.
85 Moser, Demographie, 16; vgl. auchDokumentationsarchiv des österreichischenWiderstan-
des (Hg.),WiderstandundVerfolgung inWien,Bd. 3 (Wien 21984) 201f.; StatistischesLandes-
amt, Jahrbuch 1938, 34; GerhardBotz, Nationalsozialismus inWien.Machtübernahme, Herr-
schaftssicherung,Radikalisierung 1938/39 (überarb. u. erw.Neuaufl.Wien 2008) 626.
86 Zu Zahlenangaben vgl. auch den Abschnitt „Demographie der österreichischen Juden
1938–1945“ unter http://www.doew.at/erforschen/publikationen/gesamtverzeichnis/holocaust/
demographie-der-juedischen-bevoelkerung-oesterreichs-1938-1945 (April 2017); etwas andere
ZahlenbeiBotz,Nationalsozialismus (2008), 626.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918