Seite - 63 - in Sportfunktionäre und jüdische Differenz - Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
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Die jüdische Bevölkerung Wiens in der Zwischenkriegszeit 63
nen.) Für die jüdische Bevölkerung, die vom NS-Regime am vehementesten
verfolgte Personengruppe, bedeuteten der „Anschluss“ und die stufenweise
Einführung von reichsdeutschen Gesetzen in Österreich gesetzlich fundierte
EinschränkungeninvielenLebensbereichen,dieFluchtundUntertauchen,De-
portationundErmordung zurFolgehatten.
Vor 1938warendieEmigrations-undFluchttendenzen jüdischerBürgerIn-
nennur schwach ausgeprägt gewesen. Selbst nachdemsogenannten Juli-Ab-
kommen193692war es zukeinernennenswertenErhöhung jüdischerAuswan-
derung gekommen.Nur rund 1.250 Judenund Jüdinnenwaren zwischen 1936
undMärz1938emigriert.93Erstnachdem„Anschluss“setzteaufgrundderVer-
folgungsmaschinerie des NS-Regimes eineMassenfluchtbewegung ein, die in
denersten 24MonatennachdemMärz 1938bisAnfang 1940kulminierte.94
Mitunter unterstützt vonHilfsorganisationen,95 gelang etwa zwei Dritteln
der österreichischen Juden und Jüdinnen die Flucht ins Ausland, davon er-
reichten rund 131.000 ein Asylland. Je 30.000 Flüchtlinge gelangten im Zeit-
raum zwischen „Anschluss“ und Kriegsausbruch 1939 nach Großbritannien
und in dieUSA, zahlreiche Personen flohennachChina/Shanghai, Palästina,
Mittel-undSüdamerikaundAustralien.96WeitereErst-ZielortederEmigrantIn-
nen bildeten Italien, die Schweiz, Frankreich und etwa die Stadt Harbin im
heutigenChina.97
Die nach nationalsozialistischen Parametern durchgeführte Volkszählung
vom17.Mai 1939zähltenurnoch92.982 JudenundJüdinnen inWien.98 Inden
92 Das Juli-Abkommen (1936)kennzeichnetedenBeginneinerdeutschlandfreundlichenPoli-
tikÖsterreichs, u.a. sahesdieAmnestie inhaftierterNationalsozialistenvor.
93 Moser, Demographie, 11f.;Lichtblau, Partizipation, 250ff.
94 Moser, Demographie, 29–56. Vgl. allgemein etwa auch HeleneMaimann, Vergangenheit,
die nicht vergeht. NS-Herrschaft in Österreich, 1938–1945. In: GünterDüriegl (Hg.), Das neue
Österreich.DieAusstellung zumStaatsvertragsjubiläum1955–2005.OberesBelvedere, 16.Mai
bis1.November2005(Wien2005),oderFlorianFreund,HansSafrian,DieVerfolgungderöster-
reichischen Juden 1938–1945. In: EmmerichTálos et al. (Hg.),NS-Herrschaft inÖsterreich. Ein
Handbuch (Wien 2000) 767–794.
95 Vgl. etwa TheodorVenus, Alexandra-EileenWenck, Die Entziehung jüdischen Vermögens
im Rahmen der Aktion Gildemeester. Eine empirische Studie über Organisation, Form und
Wandel von „Arisierung“ und jüdischer Auswanderung in Österreich 1938–1941 (Veröffentli-
chungenderÖsterreichischenHistorikerkommission 20/2,Wien/München 2004).
96 Pulzer,Nachwort, 305;Lichtblau, Integration,526.Bis30.November 1939hatten126.445 Ju-
denundJüdinnenÖsterreichverlassenkönnen.Stuhlpfarrer, Judenfeindschaft, 170.Sieheauch
Moser, Demographie, 28.
97 Moser, Demographie, 58–64.
98 Lichtblau, Integration, 530;Moser, Demographie, 31.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918