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78 4 Die jüdische Sportbewegung im Wien der Zwischenkriegszeit
verbandsderKreisDeutschösterreichder jüdischenTurn-undSportvereineun-
ter ihrem Vorsitzenden Dr. Heinrich Schiffmann und seinem Stellvertreter
Adolf Taglicht.35 Aufgrund der unterschiedlichen Interessen von Turn- und
Sportvereinen bildeten sich rasch eigene Unterausschüsse für „Turnen“ und
„Sport“. InLetzteremwaren1922schon14,zumeist sehr junge,Vereinezusam-
mengefasst.36 Dochder Interessensgemeinschaft, in der zumGroßteil zionisti-
sche Vereine vertreten waren, blieben die dem Arbeitersport nahestehenden
Klubs fern,was indirekt zu einer SchwächungderDachorganisationbeitrug.
Die Hakoah versuchte die kleineren jüdischen Vereine infrastrukturell zu
unterstützen. So trugen die Fußballabteilungen von Kadimah undHechawer
ihreHeimspiele aufdemvonderHakoahgemieteten„Birner“-Platz inFlorids-
dorf aus.37Währenddie kleineren jüdischenVereine imAufbaubegriffenwa-
ren, feierte die Fußballabteilung derHakoahmit der Vizemeisterschaft in der
Saison 1921/22 ihren ersten großen Erfolg. In der gleichen Spielzeit war ihre
FußballsektionanMitgliedern schonsoüberlaufen, dass keineneuenAktiven
aufgenommenwerdenkonnten.Sofandderdamals13-jährigeFriedrichEphra-
imKantor-Berg, der spätere Schriftsteller Friedrich Torberg, nur Aufnahme in
der Schwimmsektionund reüssierte später erfolgreich alsWasserballer.38Wer
Anfang der 1920er-Jahre einer jüdischen Fußballmannschaft beitretenwollte,
musstemit einemderunterklassigenVereine vorliebnehmen.39
Die Vielzahl der neuen jüdischen Vereine wurde im Fußballsport in die
unteren Spielklassen eingereiht. Dort wurden ihre Aktiven und Funktionäre,
nichtandersalsbeiderHakoah, immerwiederZielvonantisemitischmotivier-
ten Schmähungen, die nicht selten zu tätlichenAngriffenund inder Folge zu
Spielabbrüchen führten, wie bei den Begegnungen J.A.C. gegen SC Orkan40
oderKadimahversusSCMatzleinsdorf41.
Stagnation
1920gründetesichderSportklubHasmonea,derumgehendindenFußballver-
bandaufgenommenwurde.42HinterderHakoahentwickeltesichderKlubzum
35 JüdischeZeitung (27.6. 1919) 6.
36WienerMorgenzeitung (15.3. 1922) 7.
37WienerMorgenzeitung (29. 1. 1919) 7.
38 MichaelBrenner, Kleine jüdischeGeschichte (München 2012) 278.
39 Friedrich Torberg,Warum ich stolz bin. In:Dachs (Hg.), Jüdischer Almanach, 59–67, hier
59f.
40WienerMorgenzeitung (24.6. 1927) 7.
41WienerMorgenzeitung (5. 10. 1926) 8.
42 Sport undSpiele (4. 12. 1920) 313.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918