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wichtigsten jüdischenAllroundverein inWien. Neben demFußballsport wur-
den Sektionen fürHandball, Leichtathletik, Tischtennis und eine Kultur- und
Geselligkeitsabteilung unterhalten. Auf ihre Initiative wurde mit dem „Jüdi-
schenCup“auchein eigenerWettbewerb für jüdischeVereine eingerichtet.43
DiesichschonfrühanbahnendenAuffassungsunterschiedezwischen jüdi-
schen Turnvereinenundden anderen Sportvereinen, die zumeist imFußball-
bereich tätig waren, führten zur Gründung des Jüdischen Sportverbandes
durch 17 Vereine unter Schriftführer Emanuel Fiscus vom SKHasmonea und
Kassier Adolf Wirtschafter von Hechawer.44 Diese neue Interessensgemein-
schaft sollte allen jüdischen Vereinen bundesweit offenstehen. Sie versuchte
die jüdischeSportbewegungzustärken, indemsie ideologischeundpolitische
Differenzenüberbrückenwollte.NebendenzionistischenWienerVereinen fin-
densichunterdenGründungsmitgliedernauchder JüdischeArbeitersportklub
Borochow,dieGrazerHakoahoderder JüdischeTurn- undSportvereinLinz.45
Der Versuch einer stärkeren Zusammenarbeit war auch notwendig geworden,
drohtendochdie jüdischenVereine inderAuseinandersetzung zwischendem
sozialdemokratischen Verband der Arbeiter- und Soldatensportvereinigungen
(VAS), ab 1924Arbeiterbund für Sport undKörperkultur inÖsterreich (ASKÖ),
und den bürgerlichen Vereinen aufgerieben zu werden. In dieser Auseinan-
dersetzung suchte der Jüdische Sportverband letztlich eine neutrale Position
einzunehmen, auchwenn es aufgrund von Naheverhältnissenmancher Mit-
gliedsvereine zur einen oder anderen Seite immer wieder zu strategischen
Bündnissen inEinzelfragenkam.
Anfangder 1920er-Jahreexistierten24 jüdischeVereine, vornehmlichFuß-
ballklubs inderLeopoldstadtundderBrigittenau,denbeidenWienerBezirken
mit dem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil. Diese Vereinsdichte führte
dazu, dass dieWechselmodalitäten geklärtwerdenmussten, griffen doch alle
Vereine in ihrerBeschränkungauf jüdischeAktiveaufdasgleicheSpielerreser-
voir zurück. So erließ der Jüdische Verband zunächst einWechselverbot zwi-
schendeneinzelnen jüdischenVereinen.46MansahsichzudiesemSchritt ver-
anlasst,weilmanfürchtete,dieHakoahkönnediebestenSpielerderkleineren
Vereine abwerben und so deren Entwicklung nachhaltig bedrohen. Dochwe-
gen des eklatanten Leistungsunterschiedes zeigte sich sehr schnell, dass die
Hakoah imbeginnendenProfessionalismus ihrenBedarfanVerstärkungenpri-
43WienerMorgenzeitung (18.6. 1921) 6.
44WienerMorgenzeitung (22. 12. 1921) 7.
45 ZurSituation inLinz sieheMichael John, JüdischeVereine inLinz. In:Adunka,Lamprecht,
Traska (Hg.), JüdischesVereinswesen, 157–182.
46WienerMorgenzeitung (2. 2. 1923) 9.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918