Seite - 134 - in Sportfunktionäre und jüdische Differenz - Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
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lokalenGemeinschaft.AlsProponentendesFußballklubsverortetensiesich in
populäremWissen über Floridsdorf, seine proletarische Kultur und über die
„Vorstadt“generell.Damit ordneten sie sich ineineKulturmit einemdezidiert
antijüdischen Image ein. Für einen Juden konnte die Funktionärstätigkeit in
einemvorstädtischenFußballverein eine Stärkung seiner Zugehörigkeit zu ei-
ner nichtjüdischen Umwelt bedeuten und damit einWeg sein, um aktiv mit
jüdischerDifferenzumzugehenundsichFreiräumezu schaffen.
Dies gilt imSpeziellenauch für FunktionäredesSportklubRapid, alsVer-
einmitdenmeistenAnhängerInnenund–nebenderAdmira–erfolgreichsten
Wiener Fußballklub der Zwischenkriegszeit, dessen Spieler als „Repräsentan-
tendesösterreichischenFußballsports“93 dieAttributedesVorstädtischenauf
ganzWienausdehnten. Einerseits legte „einAmtbeiRapidaufgrundder kul-
turellen Zuschreibungen an den Verein zumindest in der Öffentlichkeit eine
Distanzierungvon ‚jüdischen‘odergar zionistischenChiffrennahe“.94Gleich-
zeitig ermöglichte esdie von jüdischenAkteuren „mitgestaltetedoppelte kul-
turelleCodierungdesWienerFußballs– ‚jüdische‘ Cityclubsvs. proletarische
Vorstadt – sowie das Vorhandensein von erfolgreichen explizit zionistischen
Fußballvereinen […], als Vertreter des ‚bodenständigen‘ Sportklub Rapid als
‚Juden‘ imFußballweitgehendunsichtbar zubleiben.“95
Mit der arbeitsintensiven und finanziell belastenden Tätigkeit als Funk-
tionär eines vorstädtischen Profivereines ließ sich ein Zuwachs an „Boden-
ständigkeit“erwerben.DieAußenzuschreibungenbestätigen,dassdieserWeg
zumindest bis zumMärz 1938oft erfolgreichwar.Die Sportpresseproblemati-
sierte zumindest ab dem Zeitpunkt der Etablierung des Berufsfußballs, also
ab der Saison 1924/25, nicht selten die Diskrepanz zwischen „Cityklub“ und
Vorstadtverein, zwischen Finanzkraft und Bodenständigkeit, im Sinne einer
Bevorzugung der Zweiteren.96 Diese Qualitäten der Vorstadtklubs – ob tat-
sächlichvorhandenoder zugeschrieben–verstärktendasBild einer „un-jüdi-
schen“Sportauffassung,andemdieFunktionärepartizipierten.DerRaumdis-
kurs erwies sich für eine bestimmte Zeit alswirkungsmächtiger für die Frage
jüdischerDifferenzals jener, der sicham„Jüdisch“- oder „Nichtjüdisch“-Sein
der handelndenPersonenausrichtete.
93 DieVorstadt führt!, Illustriertes Sportblatt (8. 10. 1927) 7.
94 Rosenberg,Spitaler, Performative jüdische Identitäten, 72.
95 Rosenberg,Spitaler, Performative jüdische Identitäten, 74.
96 Sport-Tagblatt (15. 1. 1929) 2.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918