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vereinen suchte. Zentral stehendabei dieVersuche, eine „Volksgemeinschaft“
zu konstruieren. Wenn der Begriff im Austrofaschismus mit „österreichisch“
(inSinnedesbesseren,weilkatholischen„Deutschtums“)und„vaterländisch“
zur Deckung gebracht werden sollte,118 dann galt er den Nationalsozialisten
zumeist alsSynonymfürDeutsch-undAriertum:„Bodenständig imdeutschen
Volkstum ist alles,was die deutscheMutterschicht in sich aufgenommen,mit
ihren Nährkräften erfüllt und zu einem eigengearteten Dauerleben verholfen
hat. Es ist also die Bodenständigkeit der Gestaltung, dasAngestammtsein der
prägendenundlebendigmachendenKraft,diedenletztenAusschlaggeben“.119
Im Austrofaschismus, der den Anschein von Diskriminierung von Juden
vermeidenwollte,DiskriminierungenaufvielenEbenenaberzumindestdulde-
te,120 wurde „bodenständig“, aber auch stärker als bisher zu einer Chiffre für
„nichtjüdisch“. In diesemSinnwurde es auch inder zionistischenPresse ver-
standen:
„DasWort ‚bodenständig‘ ist ein Ersatz für ‚antisemitisch‘ geworden. Wennman nicht
geradeheraus sagenwill, daßmangegen die Juden ist, erklärtman,man sei für die Bo-
denständigen.Umdie Judenauszuschalten,produziertman insbesondereaufdemGebiet
des Gewerbes undHandels eine Fülle vonGesetzen undVerordnungen zum ‚Schutz der
Bodenständigkeit‘. Um jedes Gewerbe, in welchem Juden in merklicher Zahl vertreten
sind, wird eineMauer von Beschränkungen, Befähigungsnachweisen, Zunftbestimmun-
gen usw. errichtet. Berufszweige und Unternehmungen (Hausierhandel, Ratengeschäft,
Waren- undVersandhäuser), welche zu einembeträchtlichen Teile in jüdischenHänden
sind, trachtetmanwegen ‚nichtbodenständigenCharakters‘ völlig auszurotten.“121
Noch im Jänner 1938 verlangte der Österreichische Gewerbebund imRahmen
seinerAktion „Christenkauft bei Christen“dieEinführungeines „Fremdenge-
setzes gegen Juden“. In seiner ZeitungWienerGewerbewurdegefordert:
„Es wird in allen Kreisen des bodenständigenWiener Gewerbes auf das lebhafteste be-
grüßtwerden,wennendlich einmaldas schon so langeangekündigte Fremdengesetz er-
lassenwird, das die Seßhaftmachung ausländischer Judenunmöglichmachen soll.Was
die schon imLande befindlichen Israeliten anlangt, sowird das bodenständigeVolk gut
daran tun, diesenHerrschaftenauf die Finger zu schauen.“122
118 Markus ErwinHaider, Im Streit um die österreichische Nation. Nationale Leitwörter in
Österreich 1866–1938 (Wien 1998) 246, 269.
119 Georg Rückert, Alte kirchliche Opfergebräuche imwestlichen bayrischen Alpenvorland.
In:VolkundVolkstum1 (1936) 20–268, hier 29.
120 Vgl. etwaAngelikaKönigseder,Antisemitismus 1933–1938. In: EmmerichTálos,Wolfgang
Neugebauer (Hg.), Austrofaschismus. Politik – Ökonomie – Kultur 1933–1938 (Münster/Lon-
don/Wien 2005) 54–67.
121 DieNeueWelt (3. 11. 1937) 1.
122 Zit. nachDieNeueWelt (25. 1. 1938) 1.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918