Seite - 148 - in Sportfunktionäre und jüdische Differenz - Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
Bild der Seite - 148 -
Text der Seite - 148 -
148 6 Raum
zwölf Prozent. Auf diese folgenÄrzte sowie Bankangestelltemit je neun Pro-
zent. Ein Unterscheidungsmerkmal bilden die Berufssparten der Handwerker
und Arbeiter. Glaser, Poliere, Schlosser und Tischler – diese Berufsgruppen
sind unter den jüdischen Funktionären nicht vertreten, aber (immerhin) mit
zwei Prozentunter dennichtjüdischen.
Derdurchschnittliche jüdischeFunktionärbeiderViennawurdedemnach
in den 1880er-Jahren in Wien geboren, wohnte in Döbling und entstammte
demmittleren bzw. gehobenenBürgertum.NachBeendigung der schulischen
Ausbildung oder eines Universitätsstudiums schlug er eine kaufmännische
Karriere ein, stieg etwa in den elterlichen Betrieb ein oder baute ein eigenes
Unternehmenauf.Wahrscheinlichwarer in seinerSchul- oderStudienzeitmit
organisiertemSport inBerührunggekommenundschlosssich,vielleichtdurch
Einfluss von Familienmitgliedern oder Freunden, die schon beim Verein wa-
ren, derViennaan.
Meist erfolgte schonwährend der aktiven Laufbahn ein fließender Über-
gang in eine etwaige Funktionärstätigkeit. ImBedarfsfall sprang der Funktio-
när auchals Finanzier desVereins ein.NebendemSport fander bei denDöb-
lingerndasgeeignete soziopolitischeundgesellschaftlicheUmfeld, dasneben
der sportlichen Tätigkeit auch eine reichhaltige Festkultur pflegte, Ausdruck
eines lebendigenVereinslebens, in demdie Pflege privater undgesellschaftli-
cherKontakteder stärkerenVernetzungdiente.
Sonderrolle „Konvertiten“
EineSonderrolleunterdenVienna-FunktionärennahmenjüdischeKonvertiten
ein, alsoPersonen, die ausunterschiedlichenGründenausder IKGWienaus-
traten. Sieben bekannte Funktionärspersönlichkeiten – alle mindestens Vor-
standsmitglieder–,die ihr jüdischesGlaubensbekenntnisablegten, findensich
bei denDöblingern.
Im internationalenVergleichüberragtedieKonversionsratederWiener Ju-
den bei weitem alle anderen Städte der Doppelmonarchie sowie Metropolen
des europäischenAuslands.146 Diese hohe Zahl lag nicht zuletzt imUmstand
begründet, dass in Österreich eine Eheschließung zwischen Juden und Chris-
ten trotz der vorhandenenMöglichkeit einer Ziviltrauung gesetzlich verboten
war.147 Wollte ein Paar mit verschiedenen Glaubensbekenntnissen heiraten,
146 MarshaL.Rozenblit,Die JudenWiens1867–1914.AssimilationundIdentität (Forschungen
zurGeschichtedesDonauraumes 11,Wien/Köln/Graz 1989) 132.
147 Rozenblit, Juden, S. 134.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918