Seite - 168 - in Sportfunktionäre und jüdische Differenz - Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
Bild der Seite - 168 -
Text der Seite - 168 -
168 7 Sport in den Medien
tungdes Sports, freilich ebenfallsmit Fokus auf die jüdischeRealität unddie
zionistische Bewegung, und rapportierten sehr ausführlich das Geschehen in
den jüdischen Sportvereinen und imMakkabi. DieWienerMorgenzeitung ent-
hielt eine tägliche Sportrubrik, die primär vonFritz Baar undEmanuel Fiscus
gefülltwurde.
In einemweiteren Sinn definiert sich die Begrifflichkeit einer „jüdischen
Sportpresse“ jedoch durch denNationalsozialismus, der jeden von einem Ju-
den, einer Jüdin verfassten Beitrag zum Thema Sport einer „jüdischen“ oder
„verjudeten“ (Sport-)Presse oder einfach der „Judenpresse“ zuschrieb. Ob die
SchreiberInnensichselbstals Judenverstandenbzw. ihreBeiträgeals jüdische
Beiträge verstanden, spielte in diesemZusammenhang keine Rolle. Siemuss-
tennichteinmalJüdinnenoderJudensein,umalsTeileiner„jüdischen“Sport-
presse gekennzeichnet zuwerden.
Explizit auf die Frage des „Jüdischen“ in der „Judenpresse“ ging Robert
Stricker23 1919 in seinem Editorial der ersten Ausgabe derWienerMorgenzei-
tung ein:
„DieösterreichischePressewird[...] schlecht ‚Judenpresse‘genannt,unddieBezeichnung
trifft insofernezu,alsdiegrößtenBlätter vonungetauftenundgetauften Judenherausge-
geben und geschriebenwerden. Aber auf den Inhalt angewendet erscheint die Bezeich-
nung ‚Judenpresse‘ geradezu widersinnig, denn alles Jüdische wird von dieser Presse
grundsätzlich verschwiegen. [...] Die ‚WienerMorgenzeitung‘ ist ein Judenblatt. Anderen
brenntdieserNamewie einSchandmal auf der Stirn, siewill ihngerne tragen.“24
Der Nationalsozialismus prägte dieses Bild also zwar ganzwesentlich, baute
in zentralenPunkten aber auf zeitgenössische Zuschreibungendes Jüdischen
auf –undkehrte sie (sonicht schonvonvornherein so codiert) insNegative.
Ein Beispiel dafür ist das Sportfeuilleton: Vereinzelt in Tages- und Sportzei-
tungen,aberwesentlichhäufiger iminderZwischenkriegszeit starkexpandie-
rendenGenrederwöchentlich odermonatlich erscheinenden Journalewurde
dasSportgeschehenkommentiertundhinterfragt. ImbestenFall erfolgte eine
„analytischeBilanz“und„intellektuelleDurchdringung“speziell desSpitzen-
sports,25 der eine europäische und historische Kontextualisierung erfuhr.
Letztlich bedeutete das Sportfeuilleton eine Verbindung von Populär- und
23 Robert Stricker (1879–1944, ermordet in Auschwitz) war zunächst Bahnbeamter, wurde
abernochvordemErstenWeltkriegeinerder führendenZionistenWiens.Erwirkteals Journa-
list sowie als Politiker, war zwischen 1912 und 1938 Vorstandsmitglied derWiener Kultusge-
meinde und als Vorsitzender der JüdischenParteiMitglied der KonstituierendenNationalver-
sammlung 1919/20.
24 RobertStricker, Ein Judenblatt. In:WienerMorgenzeitung (19. 1. 1919) 1.
25 Pfoser, Sportessayist, 140.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918