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Biografische Fallstudie „Roxane“ 155
Zum einen befindet sich Roxane gegenwärtig in den Vorbereitungen für
eine eigene, neue Fernsehsendung, die sie zusammen mit einem Freund reali-
sieren will. Roxane stellt sich jedenfalls als treibende Kraft hinter der neuen
Sendung dar. Eine Einrichtung der Jugendarbeit wird dabei von ihr als ko-
operierende Einrichtung genannt. Das Verhältnis zur Jugendarbeit stellt sie
als eines auf Augenhöhe dar. Es geht dabei um gegenseitige Hilfe, von der
alle Beteiligten profitieren. Unklar ist, ob Roxane tatsächlich eine eigene
Sendung auf dem freien TV-Sender organisiert oder ob sie wieder im Rah-
men der Programmschiene der Jugendarbeit mitarbeitet.
Zum anderen will Roxane nicht auf ihre Bezugspersonen aus der Jugend-
arbeit verzichten. Für den Fall, dass sie diese Ressource braucht, wäre es für
sie nach wie vor selbstverständlich, sich an die JugendarbeiterInnen zu wen-
den, auch wenn Hauptbezugspersonen von früher nicht mehr direkt in diesem
Bereich arbeiten. Roxane würde sich auch an andere Leute in den entspre-
chenden Einrichtungen wenden. „Aber, so mit (Name der Hauptbezugsper-
son, Anm. d. Verf.) ist g a n z anders. Also, wenn ich ihn irgendwas persön-
lich ich was brauche, dann geh ich schon zu (Name der Hauptbezugsperson,
Anm. d. Verf.), egal wo er ist.“ (NI2: S. 46/Z20ff.)
Offenbar war das Verhältnis zu manchen JugendarbeiterInnen so intensiv,
dass Außenstehende in der Vergangenheit manchmal der Meinung waren,
dass Roxane in einem familiären Verhältnis zu manchen der BetreuerInnen
steht (Roxane als vermeintliche Tochter). Zumindest wird das von ihr so
dargestellt. Es scheint ihr auch heute noch wichtig zu sein, dieses enge Ver-
hältnis zu betonen. Es entsteht der Eindruck, dass die JugendarbeiterInnen für
Roxane den Stellenwert einer Art Ersatz- oder Nebenfamilie bekommen
haben.
In ethnischer, kultureller, aber auch genderspezifischer Hinsicht entwirft
Roxane im Interview eine eher hybride30 Verfasstheit ihrer Identität. Es kann
vermutet werden, dass dadurch für sie permanente Aushandlungsprozesse
notwendig werden, welche gerade in der Phase der Adoleszenz eine besonde-
re persönliche Herausforderung darstellen (vgl. Foroutan 2013, S. 86). Wie
weiter oben beschrieben, erinnert sie sich, in ihrer Kindheit in Afghanistan
aufgrund der damaligen Lebensumstände gleichermaßen in einer männlichen
und weiblichen Rolle gewesen zu sein. Sie lässt das als durchaus positive
Erfahrung stehen. Wann immer sie im Laufe des Interviews versucht, ihre
Zugehörigkeit zu einem bestimmten Land zu reflektieren, ergeben sich ver-
schiedene Aussagen. Zum einen bezeichnet sie sich wiederholt als Afghanin,
zum anderen aber auch als Österreicherin: „(...) dieses Land gehört ja nicht
uns, wir sind wie gesagt, als wie ge-, ich seh mich so, als Österreicherin, aber
ich seh mich auch als Gast“. (NI2: S. 10/Z11f.)
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30 Zum Konzept der Hybridität von Identitäten vgl. Bhabha 2000, S.5.
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Wirkungsevaluation mobiler Jugendarbeit
Methodische Zugänge und empirische Ergebnisse
- Titel
- Wirkungsevaluation mobiler Jugendarbeit
- Untertitel
- Methodische Zugänge und empirische Ergebnisse
- Autor
- Hemma Mayrhofer
- Verlag
- Verlag Barbara Budrich
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-8474-1130-7
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 378
- Schlagwörter
- Society & social sciences, Social services & welfare, criminology, Social welfare & social services, Social work
- Kategorie
- Geisteswissenschaften