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158 Florian Neuburg
nach Roxanes Auffassung keine Dankbarkeit gegenüber dem Aufnahmeland
zeigen bzw. es nicht schaffen, Möglichkeiten und Freiheitsgrade zu nutzen,
werden von ihr dafür hart kritisiert.
Ihr eigener Lebensentwurf steht im scharfen Kontrast zu traditionellen
und konservativen Rollenbildern, denen sie sich als Mädchen und junge Frau
in ihrem sozialen Umfeld gegenübersieht. Sie sieht sich mit Normierungsver-
suchen von Seiten ihrer Familie, ihres Freundes, der Peergroup und weiterer
Personen muslimischen Glaubens konfrontiert. Roxane begreift sich selbst
als Muslima, distanziert sich aber vehement von Personen mit einem streng
konservativen Religionsverständnis. Sie versucht, innerhalb der Familie eine
Änderung der Einstellung ihres Vaters zu erwirken, und meint, dass sich
diesbezüglich im Laufe der Jahre ein deutlicher Erfolg eingestellt hat.
Es kann davon ausgegangen werden, dass es für sie in der ersten Zeit in
Österreich nicht leicht war, neue Kontakte zu finden. Bald nach ihrer Ankunft
wird sie jedoch von mobilen JugendarbeitInnen in einem Park angesprochen.
Von „mobilen Jugendlichen“ (NI2: S. 3/Z11), wie sie die StreetworkerInnen
bis heute bezeichnet und mit dieser Fehlbezeichnung vielleicht ein Stück weit
die Distanz zwischen sich selbst und den ausgebildeten SozialarbeiterInnen
schließen möchte. Roxane weiß zum damaligen Zeitpunkt nicht, dass es so
etwas wie Offene Jugendarbeit gibt. Hätte sie die mobile Jugendarbeit nicht
in ihrem direkten Lebensbereich abgeholt, wäre das wahrscheinlich auch
noch eine längere Zeit über so geblieben. Damit wird deutlich, dass gerade
über die mobile Arbeitsweise der StreetworkerInnen jene Jugendlichen er-
reicht werden, die mit ortsgebundenen Einrichtungen eher nicht oder nicht so
schnell in Kontakt kommen.
Gewalterfahrungen
Roxane ist über die Jahre hinweg immer wieder mit verschiedenen Formen
von Gewalt konfrontiert: die Flucht vor Krieg und Unterdrückung in Afgha-
nistan, wiederkehrende Vorfälle häuslicher Gewalt durch den Onkel und den
Vater; die Gefahr der Zwangsverheiratung; die Misshandlungen durch den
Freund bzw. Lebenspartner; Erfahrungen massiver körperlicher Gewalt im
Alltag, auf der Straße und in den Parks, gegen sie selbst oder andere gerich-
tet, verschiedenen Versuche der Normierung und Zwangsanpassung an ein
bestimmtes Geschlechtermodell. Es muss davon ausgegangen werden, dass
es für die meisten Menschen ein hohes Maß an Vertrauen braucht, um mit
anderen Personen über solche Erlebnisse zu reden, geschweige denn um
gemeinsam aktiv an einem Ausweg zu arbeiten.
Im Zusammenhang mit der mobilen Jugendarbeit haben sich für Roxane
neue Möglichkeiten aufgetan, mit ihren Gewalterfahrungen umzugehen.
Einerseits fand sie konkrete Unterstützung, um ihre eigene Situation zu ver-
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Buch Wirkungsevaluation mobiler Jugendarbeit - Methodische Zugänge und empirische Ergebnisse"
Wirkungsevaluation mobiler Jugendarbeit
Methodische Zugänge und empirische Ergebnisse
- Titel
- Wirkungsevaluation mobiler Jugendarbeit
- Untertitel
- Methodische Zugänge und empirische Ergebnisse
- Autor
- Hemma Mayrhofer
- Verlag
- Verlag Barbara Budrich
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-8474-1130-7
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 378
- Schlagwörter
- Society & social sciences, Social services & welfare, criminology, Social welfare & social services, Social work
- Kategorie
- Geisteswissenschaften