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Sprachvariation und Alter | 59
ben.75 In dieser Anwendung des Varietätenmodells auf den Sprachgebrauch
Jugendlicher ist der Hinweis auf die transitorische Geltung der sekundären
Sozialisation enthalten. Diese Konzeption von Jugendsprache als eine vorüber-
gehende gruppenspezifische Varietät findet sich bei Löffler in der Bezeichnung
„transitorischer Soziolekt“ (2005: 118) wieder. In seiner Gliederung grenzt er
diese durch den Übertritt in ein anderes Lebensalter (etwa durch den Eintritt ins
Berufsleben) sich individuell abbauende und schließlich auflösende Varietäten
von temporären (z.B. die Gefängnissprache) und habituellen Soziolekten (z.B.
Gaunersprache) ab (vgl. Löffler 2005: 114126), freilich nicht, ohne darauf hinzu-
weisen, „dass die Sprachwirklichkeit ein übergangsloses Kontinuum darstellt
und dass alle Klassifizierungsversuche eine Frage des Standpunktes sind“ (Löff-
ler 2005: 79).
Zentral für das Varietätenkonzept bleibt dennoch die Annahme kookkurrie-
render Merkmale, spezifischer sprachlicher Charakteristika, die in der Summe
ein relativ homogenes sprachliches Gebilde bilden und einer bestimmten Ge-
meinschaft von Sprecher/-innen zuzuordnen sind. Diese Merkmalsbündel (vgl.
Löffler 2005: 114) zu erfassen hat zum Ziel, sprachliche Variation auf der Sys-
temebene, im Bereich der Sprachregeln, festzustellen. In diesem Zusammen-
hang sei auf das für die Beschreibung innersprachlicher Variation ebenso in
Frage kommende Merkmallistenmodell76 verwiesen, das sich im Gegensatz zum
Varietätenmodell auf die Varianz im Bereich der sprachlich-kommunikativen
Verhaltensweisen, d.h. auf den unterschiedlichen Gebrauch derselben Regeln,
bezieht, wodurch die Spezifik eines sprachlichen Gebildes nicht absoluter, son-
dern quantitativer Natur ist (vgl. Fiehler et al. 2004: 146). Die Merkmale „be-
stimmen die Spezifik in der Regel als einen quantitativen, nicht als einen abso-
luten Unterschied. D.h., es gibt kaum Merkmale, die exklusiv in der einen, nicht
aber in der anderen Gruppe auftreten.“ (Fiehler et al. 2004: 146).
Diese Abgrenzung hinsichtlich des quantitativen Vorkommens sprachlicher
Besonderheiten in der Varietätenlinguistik spiegelt sich in der Unterscheidung
zwischen alterspräferentiellen gegenüber altersexklusiven Merkmalen in der
Jugendsprachforschung wider,77 die auf das so genannte „Age-grading-
||
75 In jüngeren Arbeiten rückt Androutsopoulos jedoch selbst von dieser Definition von Ju-
gendsprache(n) als sekundäre Varietät(en) ab (vgl. z.B. Androutsopoulos 2006).
76 Näheres zur Bedeutung des Merkmallistenkonzepts innerhalb der Variationslinguistik
findet sich bei Fiehler et al. (2004: 146). Die Verwendung von Merkmallisten in Arbeiten zur
Altersspezifik wird in Fiehler (1998: 39) diskutiert.
77 Diese Unterscheidung geht v.a. auf Cheshire (1987) zurück, die schreibt: „The characteristic
forms may be age-exclusive, in that they are used only during a certain stage of life, or they
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute