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Sprachvariation und Alter | 77
– häufige, pleonastische Verwendung der Konjunktion aber, z.B.: frei i mi
aber, dass i di siach 'Da freue ich mich aber, dass ich dich sehe'104
– Wegfall der Präposition nach richtungsweisenden Verben, z.B.: i foah
Klogenfurt 'Ich fahre nach Klagenfurt'
Der Einfluss des Romanischen durch die Nachbarschaft zu Italien auf das Bairi-
sche in Osttirol ist dagegen kaum untersucht.105 Lediglich Mayertha-
ler/Mayerthaler (1990) behandeln in ihrem Beitrag „Aspects of Bavarian Syntax
or ‚Every Language Has At Least Two Parents‘” romanische Interferenzen ins
Bairische, kommen aber über empirisch nicht abgesicherte Behauptungen nicht
hinaus. Pohl vermutet ebenfalls Einflüsse des Romanischen auf das Bairische:
„Die romanische Nachbarschaft hat einen Einfluss sowohl auf das Slowenisch
als auch auf das Bairische ausgeübt, der sich im Sprachkontakt potenziert hat“
(Pohl 2009: 130). Er betont aber ebenso die diesbezüglich ungesicherte For-
schungslage: „Systematische Untersuchungen liegen hier noch nicht vor“ (Pohl
2009: 130). Wie auch immer der Einfluss romanischer und slawischer Sprachen
auf die Sprachverwendung in Osttirol einzustufen ist – in jedem Fall sind dies-
bezügliche Interferenzphänomene in der Auseinandersetzung mit syntakti-
schen Besonderheiten, die in den diskursiven Daten aus Osttirol beobachtet
werden (vgl. Kapitel 4), als mögliche Einflussfaktoren zu berücksichtigen.
Der Sprachgebrauch der Jugendlichen und der Erwachsenen aus Osttirol
kann insgesamt als dialektgeprägt eingestuft werden. Dieser Auffassung liegt
eine weit gefasste Definition zugrunde, der zufolge unter Dialekt eine nicht-
standardisierte areale Varietät verstanden wird. Mit der Bezeichnung südbairi-
scher Dialekt in Osttirol werden demnach nicht nur kleinräumig verwendete
Ortsdialekte, wie sie etwa in St.Veit (Defereggental) oder Virgen (Virgental)
gesprochen werden, sondern auch dialektaler Sprachgebrauch mit größerer
regionaler Reichweite, wie er etwa im Lienzer Raum gilt, subsumiert.106 Davon
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104 Vgl. slow. pa, das laut Pohl (2009: 127) im Slowenischen besonders häufig verwendet
wird, „vor allem zur Einleitung eines neuen Gedankens oder Themas.“.
105 Der Schwerpunkt der Forschung liegt hier eindeutig auf dem Sprachkontakt des Italieni-
schen mit Varietäten des Deutschen in Südtirol (vgl. z.B. Riehl 2001; 2007).
106 Im Vergleich kleinerer Gemeinden in Nebentälern Osttirols zur Bezirkshauptstadt Lienz
und den umliegenden Gemeinden des Lienzer Beckens ist bei letzteren sicherlich stärker um-
gangs- bzw. regionalsprachlichen Ausgleichstendenzen unterliegt, wenngleich typische Dia-
lektmerkmale des Südbairischen (z.B. das Personalpronomen der 2.Pers.Pl. es für ˈihrˈ) auch in
Lienz sowohl in der Jugend- als auch in der Erwachsenenkommunikation nach wie vor ver-
wendet werden (vgl. die Beispiele im Rahmen der empirischen Analysen in Kapitel 4). Für
einen Überblick zur Regionalsprachenforschung sei auf Schmidt/Herrgen (2011) verwiesen.
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute