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Sprachvariation und gesprochene Sprache | 87
Arbeiten von Koch/Oesterreicher (1985; 1994; 2007) zu erkennen, die NĂ€he-
bzw. Distanzsprachlichkeit als zwei Pole modellieren und in ihrer Unterschei-
dung zwischen konzeptioneller MĂŒndlichkeit/Schriftlichkeit neben der Mediali-
tÀt mit der Konzeption eine weitere zentrale Beschreibungsebene sprachlicher
ĂuĂerungsformen etabliert haben. Auf die prototypisch-binĂ€re Modellierung
bauen auch Ăgel/Hennig (2006; 2007) bzw. Hennig (2006; 2009) auf, die die
NĂ€he-Distanz-Theorie zur Messung des Grades von NĂ€he- bzw. Distanzsprach-
lichkeit von Texten bzw. GesprÀchen operationalisieren. In ihrer hierarchisch
aufgebauten Grundstruktur des NĂ€he-Distanz-Modells (vgl. Hennig 2006: 72)
bildet das âUniversale Axiomâ (Hennig 2006: 72) als oberste Ebene den Aus-
gangspunkt fĂŒr eine âRĂŒckfĂŒhrungâ einzelner sprachlicher Merkmale âauf
pragmatische Bedingungen der NĂ€hekommunikationâ (Hennig 2009: 26). Als
ausschlaggebendes Kriterium fĂŒr NĂ€hesprechen wird dabei die âRaumzeit-
gleichheit von Produktion und Rezeptionâ (Hennig 2009: 27) angenommen,
wÀhrend sich Distanzsprechen durch das Gegenteil kennzeichnet, also die nicht
gegebene Raumzeitgleichheit von Sprecher/Schreiber und Hörer/Leser.120 Die
Ausdifferenzierung in vorgegebene Parameter (Rollen-, Zeit-, Siutationsparame-
ter, Parameter des Codes und Parameter des Mediums) und Auflistung einzelner
diesen Parametern zugeordneter Merkmale einerseits des NĂ€he- sowie anderer-
seits des Distanzsprechens (vgl. Hennig 2006, 8084) erweckt jedoch den Ein-
druck, diese seien eindeutig voneinander abzugrenzen, wodurch der Blick auf
komplexere ZusammenhÀnge möglicherweise verstellt wird. Auch Imo (2013:
58) kritisiert diesen Umstand, wenn er schreibt, dass Hennigs Zusammenstel-
lung âdurch ihre schiere Menge zu einem einfachen âAbhakenâ und âSuchenâ
dieser Parameter in den Daten [verleite]â, was zu einer vorschnellen geschlos-
senen Gruppierung von Merkmalen gesprochener Sprache und einer damit
einhergehenden Homogenisierung fĂŒhren könne. Eine solche Aufstellung kön-
ne jedoch erst erfolgen, âwenn umfangreiche qualitative und quantitative Un-
tersuchungen dazu vorliegen â was bislang allerdings noch nicht der Fall istâ.
Die Idealisierung der prototypisch-binĂ€ren Konzeption von MĂŒndlichkeit-
Schriftlichkeit hinsichtlich der (implizit angenommenen) HomogenitÀt der ver-
schiedenen ĂuĂerungsformen innerhalb einer Textsorte bzw. eines GesprĂ€chs-
typs ist es denn auch, was von diversifikatorisch-multifaktoriellen AnsÀtzen
(vgl. Steger et al. 1974; Fiehler 2000; Fiehler et al. 2004; Fiehler 2014) kritisiert
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120 Diesem Kriterium folgend wÀren etwa Texte computervermittelter Kommunikation zu-
nÀchst medial als distanzsprachlich einzustufen, können jedoch konzeptionell nÀhesprachlich
gestaltet sein. Zu Merkmalen von NĂ€hesprachlichkeit in âgetippten GesprĂ€chenâ vgl. BeiĂ-
wenger (2002), Herring (2004) und Imo (2013: 269).
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Buch Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol"
Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute