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Sprachvariation und gesprochene Sprache | 93
tales dialogisches Prinzip nennt Linell die Kontextgebundenheit: Sprachliche
und übergreifende Handlungen ko-konstituieren einander, sie sind voneinan-
der und vom außersprachlichen Kontext der verbalen Interaktion abhängig.
Mit Günthner (2013: 1) lassen sich diese Grundlagen der Face-to-Face-
Kommunikation wie folgt zusammenfassen:
GesprächsteilnehmerInnen überwachen den sequenziell organisierten Gesprächsablauf,
passen ihre Beiträge dem situierten, dialogisch produzierten Interaktionsprozess an und
erzeugen auf diese Weise gemeinsames sprachliches bzw. soziales Handeln.
Einzelne Äußerungen eines Sprechers/einer Sprecherin sind also nicht als iso-
lierte, autonome Elemente zu begreifen, sondern sind in den situativen und
sequenziellen Kontext des Gesprächs eingebunden – wir haben es mit „koordi-
nierte[n] Aktivitäten [zu tun], die im Prozess der Interaktion emergieren und
erheblich von den Reaktionen (bzw. ausbleibenden Reaktionen) der Rezipient-
Innen beeinflusst werden“ (Günthner 2013: 1).
Auch wenn in der Interaktionalen Linguistik der Fokus auf der empirisch
basierten Beschreibung verbaler Interaktion liegt, stellt dies keinen prinzipiel-
len Gegensatz zur Auffassung von Sprache als grammatisches System dar. Es
gilt zu untersuchen, „ob und wie sich im Handeln überhaupt erst Sprache (qua
Grammatik) konstituiert, und ob und wie andererseits Handeln erst durch Spra-
che (qua Grammatik) möglich wird“ (Auer 2013a: 6). Das methodische Vorgehen
im Rahmen einer interaktionalen Syntaxanalyse kann seinen Anfang also ent-
weder im Identifizieren interaktionaler Handlungen nehmen und in eine Analy-
se der im Rahmen der kommunikativen Handlung zum Einsatz kommenden
sprachlichen Merkmale münden, oder umgekehrt seinen Anfang im Identifizie-
ren grammatischer Konstruktionen nehmen und in einer Analyse ihrer spezifi-
schen Funktionen innerhalb der verbalen Interaktion münden (vgl. Scheutz
2005: 296). Aus methodischer Perspektive zentral ist dabei der Fokus auf au-
thentischen Gesprächen als Forschungs-grundlage und eine induktive Analyse
der Daten, um einen möglicherweise durch vorgefasste Forschungsfragen „ver-
stellten“ Blick auf den Forschungsgegenstand zu vermeiden (vgl. Stukenbrock
2013: 224). Günthner (2007b; 2011a) plädiert in diesem Sinne für eine „praxisori-
entierte Grammatiktheorie“. Grammatische Strukturen sind in einer solchen
Grammatiktheorie
dem Sprechen und damit dem sozialen Handeln bzw. der Performanz nicht vorgelagert,
sondern sind Ergebnis davon. Sie bilden interaktionale Ressourcen, die sich im Laufe ei-
ner langen Kette von Kommunikationssituationen verfestigt und zur Durchführung be-
stimmter kommunikativer Aktivitäten herausgebildet haben. (Günthner 2011a: 244)
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute