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96 | Theoretische Voraussetzungen
den interaktiv im Rahmen der Online-Prozessierung konstruiert. Zusätzlich
erlaubt die mündliche Face-to-Face-Kommunikation Möglichkeiten der deikti-
schen Referenz und ist damit hochgradig kontextabhängig. Für eine quantitati-
ve Analyse des Vorkommens unterschiedlicher Einheitentypen in diskursiven
Daten ergibt sich daraus ein methodisches Problem: Wie können solcherart ko-
konstruierte, durch Projektionen und Retraktionen gekennzeichnete grammati-
sche Strukturen voneinander abgegrenzt werden? Mit Blick auf diese Frage, die
in Kapitel 3.3. präzisiert wird, soll ein weiterer zentraler Ansatz der grammatik-
theoretischen Modellierung gesprochener Sprache beleuchtet werden: die Kon-
struktionsgrammatik.
3.2.2.2 Konstruktionsgrammatik
Die Konstruktionsgrammatik (KxG) ist nicht als einheitliche grammatische The-
orie anzusehen, sondern umfasst eine ganze Reihe von Ansätzen mit unter-
schiedlichen Ausrichtungen,132 die drei Hauptströmungen bilden: die von
Charles Fillmore und Paul Kay geprägte „Berkeley Schule“ (vgl. Fillmore 1988;
Fillmore/Kay/O’Connor 1988; Kay 1997; Kay/Fillmore 1999), der kognitiv-
linguistisch motivierte Ansatz (vgl. v.a. Lakoff 1987; Goldberg 1995) und der
typologisch orientierte Ansatz (vgl. v.a. Croft 2001).133 Auch wenn die genannten
Strömungen der KxG mitunter inhaltlich stark divergieren, sind einige zentrale
Prämissen festzuhalten, die die verschiedenen Ansätze miteinander verbinden
(vgl. Fischer/Stefanowitsch 2006: 4). Im Zentrum steht die Beschreibung
sprachlicher Strukturen als Inventar von Konstruktionen, von konventionalisier-
ten Form-Bedeutungs-Paaren: „Each construction will be a form-meaning pair
(F,M) where F is a set of conditions on syntactic and phonological form and M is
a set of conditions on meaning and use“ (Lakoff 1987: 467). Die Vorstellung von
Sprache als autonomes, kognitives Symbolsystem, dessen lexikalische Elemen-
te unter Anwendung von Regeln abgeleitet werden, wird damit verabschiedet.134
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132 Zu einem Überblick über verschiedene Strömungen der Konstruktionsgrammatik vgl.
Fischer/Stefanowitsch (2006), Bücker (2012, Kapitel 2.2.4 und 3.2.3.) sowie weitere Beiträge in
Fischer/Stefanowitsch (2006; 2008), Auer/Pfänder (2011), Lasch/Ziem (2011) und Hoff-
man/Trousdale (2013).
133 Wurzeln der ersten konstruktionsgrammatischen Ansätze liegen in der generativen Sem-
antik (vgl. Langacker 1972; Lakoff 1971), der Kasusgrammatik (vgl. Fillmore 1968) und der
Frame-Semantik (vgl. Fillmore 1975).
134 Konstruktionsgrammatische Ansätze waren u.a. auch durch die in den 80er-Jahren ge-
wachsene Kritik an der Generativen Grammatik motiviert (vgl. Fillmore/Kay/O‘Connor 1988).
Annahmen der Generativen Grammatik – etwa, dass es ein angeborenes sprachspezifisches
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Buch Jugendkommunikation und Dialekt - Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol"
Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute