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Sprachvariation und gesprochene Sprache | 99
tions, not categories and relations, are the basic, primitive units of syntactic
representation“ (Croft 2001: 46). Grammatik wird als nicht-modular und nicht-
derivationell aufgefasst (vgl. z.B. Fischer/Stefanowitsch 2006: 5); das Netzwerk,
in dem sich Konstruktionen miteinander verbinden, kann als strukturiertes
Inventar beschrieben werden.138
Für die Auseinandersetzung mit gesprochener Sprache sind Ansätze der
KxG139 insofern relevant, als sie sich nicht auf eine „Kerngrammatik“ konzent-
rieren und Äußerungen, die sich schriftbasierten Kategorien entziehen, als
Performanzphänomene in die „Randgrammatik“ verbannen, sondern alle Kon-
struktionen als gleichwertig sehen. Dass diese Form-Bedeutungspaare, die „sich
lediglich durch den Grad an Verfestigung und Produktivität voneinander unter-
scheiden“, (Günthner/Imo 2006: 3) individuell gespeichert und zur jeweiligen
Situation passend aufgerufen werden, ist auch psycholinguistisch fundierbar
(vgl. Auer 2006: 291292) und passt gut zum zeitlich bedingten Prozessualitäts-
charakter gesprochener Sprache.140 Mit der Interaktionalen Linguistik haben
Ansätze der KxG dabei gemein, dass Konstruktionen nicht nur in Bezug auf ihre
syntaktischen Eigenschaften, sondern im Hinblick auf ihren interaktiven und
prozessualen Charakter sowie bezüglich ihrer Rolle in kommunikativen Gattun-
gen beschrieben werden (vgl. Günthner/Imo 2006: 9).
Hinsichtlich der Frage, was als Grundeinheit gesprochener Sprache gelten
kann, liegt die Antwort aus konstruktionsgrammatischer Perspektive auf der
||
Kategorie, ihre Extension ist eine Menge von Entitäten bestimmter Art. Gewöhnlich haben die
Elemente dieser Menge eine bestimmte Eigenschaft gemeinsam. Diese Eigenschaft ist die Be-
deutung der Kategorie oder ihre Intension.“ Von einander distinkte Wort-, Flexions- und syn-
taktische (z.B. Konstituenten-) Kategorien fassen jeweils eine Menge von Einheiten mit ähnli-
chen Eigenschaften. Syntaktische Einheiten werden als modular aufgebaut aus syntaktischen
Grundformen (Wortformen, Verschmelzungen, Wortreste) aufgefasst (vgl. Eisenberg 2006: 13-
24). Vertreter der KxG lösen diese Grenzen, z.B. von Wortartenkategorien gegenüber Phrasen,
zugunsten eines Kontinuums auf, in dem ein Suffix -ung ebenso wie ein Nomen Ahnung, aber
auch eine Phrase wie Keine Ahnung, ne? als eigenständige Konstruktionen zu beschreiben sind.
138 Ausgehend von Goldberg (2003: 3), die das strukturierte Inventar von Konstruktionen
analog zum Lex-i-con als „construct-i-con“ bezeichnet, hat sich im deutschsprachigen Raum
der Begriff Konstruktikon etabliert.
139 Für Überlegungen zur Grammatik(theorie) der gesprochenen Sprache waren im deutschen
Sprachraum dabei v.a. die so genannten usage based-Ansätze der KxG einflussreich (vgl. Imo
2007b: 24), also jene Ansätze, die sich am tatsächlichen Sprachgebrauch und damit an authen-
tischer (medial mündlicher oder schriftlicher) Kommunikation orientieren.
140 Die Annahme von Konstruktionen als „mehr oder weniger idiosynkratische Instantiierun-
gen allgemeinerer Strukturen“ (Auer 2005: 16), die „im Erstspracherwerb noch vor den allge-
meineren Strukturschemata gelernt werden“, hat auch in Arbeiten zum Spracherwerb großen
Anklang gefunden (vgl. v.a. Tomasello 1998; 2003).
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute