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Parataxe und Hypotaxe | 237
ben.“ Wie in Hauptsätzen treten häufig Linksversetzungen auf, „der nachfol-
gende Satz kann fokal bleiben“ (Breindl 2009: 294). Neben dem größeren infor-
mationsstrukturellen Freiraum nennt die Autorin noch zwei weitere Ursachen
für das Vorkommen von Verbzweitkonstruktionen nach Konnektoren wie weil:
Erstens, die Ikonizität der Form zur semantischen Hierarchie sowie zweitens,
das damit einhergehende Disambi-guierungspotential. Mit Ersterem spricht
Breindl die semantische Verknüpfung der Verbzweitkonstruktion an die vor-
hergehende Äußerung an. Ein desintegrierter Konnektor liefere eine Anweisung
dessen, wie die nachfolgende Äußerung zu interpretieren sei: „Die Linearstruk-
tur ist damit ikonisch zur semantischen Hierarchie. Für Konnektoren heißt dies:
frühestmögliche Information des Hörers über die Art des Anschlusses zum Vor-
text“, so Breindl (2009: 294). Zweiteres, das Disambiguierungspotential, dient
zur Kennzeichnung nicht-propositionaler Bezüge. Diesbezüglich betont die
Autorin: „Aus der V2-Stellung kann – anders als bei VL – auf eigenständiges
Illokutionspotential geschlossen werden“ (Breindl 2009: 294). Anto-
mo/Steinbach (2010) untersuchen dies anhand einer empirischen Studie mit
Testsätzen mit semantisch ambigen, sowohl propositional als auch epistemisch
interpretierbaren weil-Konstruktionen mit Verbletzt- und Verbzweitstellung:
Beispiel 120:
(a) Es hat einen Unfall gegeben, weil der Airbag ist aufgegangen.
(b) Es hat einen Unfall gegeben, weil der Airbag aufgegangen ist. (Antomo/Steinbach 2010: 26)
Ihren Ergebnissen zufolge tendiert der Großteil der Hörer/Leser von (120b), der
Konstruktion mit Verbletztstellung, zur propositionalen Lesart (die Ursache für
den Unfall liegt im Aufgehen des Airbags begründet), während die Verbzweit-
stellung (120a) die epistemische Lesart nahelegt (die Ursache für die Äußerung
über den Unfall/die Sprechereinstellung liegt im Aufgehen des Airbags begrün-
det; vgl. Antomo/Steinbach 2010: 33).299 Die Position des finiten Verbs bietet
also eine Interpretationshilfe, die in einer koordinativen Struktur wie „Es hat
einen Unfall gegeben. Der Airbag ist aufgegangen.“ (Antomo/Steinbach 2010:
26) so nicht gegeben wäre.
Abschließend soll noch einmal an die eingangs zitierte Passage bei Androu-
tsopoulos (1998) erinnert werden, in der der Autor eine Tendenz zu paratak-
tisch(er)en Strukturen in Bezug auf Jugendkommunikation vermutet, und dies
||
299 Die Autoren weisen jedoch einschränkend darauf hin, dass es sich dabei um eine Pilot-
studie handelt und dass „neben der Position des Finitums Kontextbedingungen die epistemi-
sche beziehungsweise die propositionale Lesart begünstigen können“ (Antomo/Steinbach
2010: 33).
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute