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überall verständlich zu machen, und / selbst im bürgerl Leben früher und
leichter verwen- / det zu werden, berechnet ist, und wirklich sind die /
Fortschritte derselben im Sprechen, welche die Mehr- / zahl in so kurzer Zeit
gemacht hat, überraschend. / Lesen, Schreiben, Rechnen, Entwickelung
abstrakter / Begriffe etc werden dabey nicht vernachläßiget. – / Um und in
Brixen wird viel Wein gebaut. Der / Roggen näherte sich seiner Reife. – Ich
wohnte bey / Hrn Bezirksarzte Dr [kein Name genannt, Platz
freigelassen], der sehr gefällig war. /
Am 26. – kamen wir über Colmann, Deut- / schen und Botzen, eine
bedeutende Stadt, wo / viel Weinbau, viele milde [!] Kastanienbäume an- /
getroffen wurden, u. wo man mit der Roggen- / Ernte vollauf beschäftiget
war, um 1 1/4 Uhr in / Meran an. Es war ehemals die Hauptstadt von Ti- /
rol, und diese Provinz führt ihren Nahmen nach dem //
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dem eine Stunde westwärts auf einem mäßig hohen / jedoch steilen Berge
gelegenen Stammschloß Tirol, wo Margarethe die Maultasche zugenannt
ihren / Sitz hatte. Meran liegt am nördlichen Ende eines / Thales, welches
von Botzen (also 2 Posten) dahin sich er- / strecket, ¼ – ½ Stunde Weges
breit, von Botzen her zwar / zur Hälfte sehr feucht sogar sumpfig mit
zahllosen / Nympheen, im Ganzen aber und weiterhin durchge- / hends sehr
angenehm, milder Temperatur u frucht- / bar ist. Dieses Thal wird nämlich
von grünenden, / zum Theile waldigen niedrigeren Bergen gebildet, / hinter
welchen jedoch nördlich in geringer Entfer- / nung Hochgebirge mit
schneebedeckten Gipfeln / (Glätscher) emporragen. Die Sonnenstrahlen kön-
/ nen daher in dieses Thal um so wohlthätiger wir- / ken, da durch
letztgenanntes Hochgebirge die Nord- / Nordwest- und Nordost-Winde
abgehalten werden. / Hier wird Getreide aller Art, und Obst, und viel Wein /
gebaut. Die schon bey Botzen vorkommenden Lau- / bengänge aus
Weinreben sind hier allgemein. Sie / haben eine Höhe von 8 Schuh, und sind
5-6 Schuh breit / und wohl weit über 100 Schuhe lang; es laufen Fuß- / wege
durch einzelne derselben, die man durch ganze / Strecken von solchen
Weingärten verfolgen kann. / Sie geben angenehmen Schutz gegen die
heißen Sonnen- / strahlen, haben ein sehr einladendes Aussehen, wel- / ches
ihnen Natur und sinniger Menschenfleiß gibt, / u biethen sehr anmuthige, in
ihrer Art einzige / Spatziergänge dar, deren Vergnügen ich mir zwey //
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832