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dass mit insgesamt 165 beinahe zehn Prozent aller verfügbaren Betten für an
Syphilis Erkrankte vorgesehen waren – diese Geschlechtskrankheit war of-
fensichtlich weit verbreitet. Für die Pockenkranken waren im Vergleich dazu
insgesamt nur 18 Betten reserviert.25
Raimann hatte also eine doch recht bedeutende Institution zu leiten, die den
Anforderungen von Seiten der Kranken und Gebärenden jedoch nicht Genü-
ge tun konnte: „Diesem Belegraum stand ein Mehrbedürfnis von mehreren
hundert Betten gegenüber.“ Um die Überfüllung zu mindern, behalf man
sich mit der Verlegung von Kranken und Schwangeren in andere Institutio-
nen: „Um demselben zunächst zu genügen, wurden Diejenigen, welche an
chronischen Krankheiten litten, in das Versorgungshaus am Alserbach und
ein Theil der Schwangeren in das Findelhaus überführt. Ebenfalls half man
sich gegenüber der vorhandenen Ueberfüllung der Irrenabtheilung, indem
man die ruhigen und unheilbaren Kranken in den Versorgungshäusern zu
Mauerbach und Ybbs a. D. unterbrachte.“26 Diese Maßnahmen konnten die
Situation jedoch nur vorderhand und ungenügend entschärfen, sodass weiter
reichende strukturelle Vorkehrungen vonnöten waren. Raimann setzte sich
Aus der Geschichte der Medizin und Pharmazie. Katalog zur niederösterreichischen
Landesausstellung 1991 (Wien 1991), S. 788-799. Zur Geschichte der Psychiatrie allge-
mein vgl. Klaus Dörner, Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssozio-
logie der Psychiatrie (Hamburg ²1999); Henri F. Ellenberger, Die Entdeckung des Un-
bewußten. Geschichte und Entwicklung der dynamischen Psychiatrie von den Anfängen
bis zu Janet, Freud, Adler und Jung (Zürich 2005); Michel Foucault, Wahnsinn und
Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft (Frankfurt/Main
1973); Werner Leibhard, Annemarie Wettley, Der Wahnsinn. Geschichte der abendländi-
schen Psychopathologie (Erfstadt 2005); Edward Shorter, Geschichte der Psychiatrie
(Berlin 1999); Alfred Stohl, Der Narrenturm oder die dunkle Seite der Wissenschaft
(Wien u.a. 2000). Bezüglich der Geschlechtertrennung in Kranken- und Armenanstalten
in der frühneuzeitlichen Steiermark hält Carlos Watzka in seiner profunden Studie zur
Geschichte der steirischen Krankenhäuser fest, dass sie zwar vorgesehen, in vielen An-
stalten aber aufgrund der finanziellen und räumlichen Möglichkeiten nicht durchführbar
war, vgl. Carlos Watzka, Arme, Kranke, Verrückte. Hospitäler und Krankenhäuser in der
Steiermark vom 16. bis zum 18. Jahrhundert und ihre Bedeutung für den Umgang mit
psychisch Kranken (Graz 2007), S. 127.
25 Laut telefonischer Auskunft vom 10. März 2008 verfügt das Wiener AKH derzeit über
ca. 2000 Betten; im Internet findet sich für das Jahr 2007 die Zahl von 2137 Betten an-
gegeben, davon 1783 Normalpflegebetten, 165 Intensivbetten, 97 Intermediate-Care-
Betten und 92 Tagesklinische Betten (http://www.akhwien.at/default.aspx?pid=793;
eingesehen am 10. März 2008).
26 Puschmann, Die Medicin in Wien, S. 142.
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