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die im gesunden Körper Wirkungen hervorrufen, die der Krankheit ähnlich
sind. Dieser Grundsatz wird Simile-Prinzip genannt und lässt sich kurz zu-
sammenfassen unter dem Schlagwort similia similibus curentur. Weitere
Grundsätze der Homöopathie waren und sind die Verabreichung von hoch
potenzierten, also stark verdünnten Arzneimittelgaben – je älter er wurde,
umso stärker verdünnte Hahnemann die Arzneien, da er glaubte, so deren
„geistartiges Wesen“ besser zur Entfaltung bringen zu können; die Annahme
einer sogenannten „Lebenskraft“ (was aber in der damaligen Medizin gene-
rell weit verbreitet war, gingen doch auch die meisten „Allopathen“ von
vitalistischen Grundannahmen aus); und die „Psora-Lehre“, eine in den
1820-er Jahren entwickelte Lehre Hahnemanns, die besagte, dass alle chro-
nischen Erkrankungen „auf drei Miasmen, nämlich Psora (Krätze), Syphilis
und Sykosis (Feigwarzenkrankheit)“ zurückzuführen seien.106
Die Lehren der Homöopathie riefen, wie gesagt, in der Ärzteschaft heftige
Kontroversen hervor; von Anfang an waren sie umstritten (Hahnemann hatte
das Simile-Prinzip erstmals 1796 ‚entdeckt‘), und es „setzte in den 1820er
Jahren eine Flut von Streitschriften ein, die bis heute anhält“, ja es kam zu
„einer nicht enden wollenden Polemik, die in der Geschichte der Medizin
kaum Parallelen hat.“107
In vielen Ländern konnte die Homöopathie offen ausgeübt werden, wobei
die Behandlung des Fürsten Karl von Schwarzenberg durch Hahnemann dem
neuen Heilverfahren einige Popularität bescherte, wenn auch Schwarzen-
berg, allen homöopathischen Bemühungen zum Trotz, alsbald verstarb. In
Österreich aber, das auch in medizinischer Hinsicht von waghalsigen Neue-
rungen nichts wissen wollte, hatte die Homöopathie einen schweren Stand.
Schon Raimanns Vorgänger, Andreas Joseph Stifft, war sie zutiefst suspekt,
und so ließ er, nachdem er von homöopathischen Heilverfahren in einem
Prager Krankenhaus gehört hatte, ihre Ausübung von allerhöchster Stelle
106 Zu Lehren und Geschichte der Homöopathie vgl. Jütte, Geschichte der Alternativen
Medizin, S. 179-221, Direktzitat: S. 182; Matthias Wischner, Kleine Geschichte der
Homöopathie (Essen 2004); Christian Lucae, Homöopathie an deutschsprachigen Uni-
versitäten. Die Bestrebungen zu ihrer Institutionalisierung von 1812 bis 1945 (Heidel-
berg 1998); vgl. auch die bereits genannte, sehr umfang- und detailreiche, allerdings in
inner-homöopathische Parteilichkeiten und Streitigkeiten verstrickte vierteilige „Ge-
schichte der Homöopathie“ von Rudolf Tischner. Die hier gegebene Kurzcharakteristik
kann nur eine sehr grobe sein und auf die Richtungskämpfe innerhalb der Homöopathie
nicht eingehen.
107 Jütte, Geschichte der Alternativen Medizin, S. 186f.
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832