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114 Resultaten, welche die Homöopathie in der Cholera dort geleistet, hat man
sich allgemein hier für diese Behandlungsweise in jener Krankheit erklärt und
von allen Seiten habe ich Aufforderungen erhalten zum Beistande, sofern die
Seuche bis hierher vordringen sollte.“113
Die Nachricht vom Erfolg der Homöopathie war Raimann auch nach Lai-
bach vorausgereist, und mit Schrecken musste der Leibarzt des Kaisers fest-
stellen, dass homöopathische Heilmethoden im Herzogtum Krain auch unter
Ärzten weit verbreitet waren und von der gesellschaftlichen Elite sehr ge-
schätzt wurden. Als ein Laibacher Bürger in einer Audienz den Kaiser um
die Erlaubnis bat, „einen homöopathischen Arzt aus der Ferne berufen und
besolden zu dürfen“, benutzte Franz I. dies dazu, sich öffentlich klar und
deutlich gegen die Homöopathie auszusprechen. Dennoch musste sich Rai-
mann vom örtlichen Protomedicus Schneditz sagen lassen, dass dieser gar
kein Verbot der Homöopathie kenne und dass man, da ja in Wien unge-
hemmt homöopathisiert werde, auch von den Laibachern nicht erwarten
könne, von der Homöopathie zu lassen. Und so sah er sich in Laibach als
aufrechter Allopath allein auf weiter Flur einer breiten homöopathischen
Koalition von Geistlichen, Adeligen und Bürgern gegenüber, die sich sämtli-
che „laut für die Homöopathie erklären“. Die im örtlichen Gubernium vertre-
tenen Männer, „besonders aber die Frauen derselben“, kämpften für die Er-
laubnis homöopathischer Heilweisen, und so wurde eine „gehörig belegte
Anzeige der Stadtphysiker über unglücklich ausgeübte Homöopathie beym
Kreisamte gegen die Geistlichen, welche an der Spitze stehen, wirkungslos“
gemacht, sodass scheinbar vorgekommene, zumindest aber behauptete Be-
handlungsfehler der Homöopathen ungeprüft und ungeahndet blieben. – Das
generelle Verbot der Homöopathie aber sollte sich auch in der Tat nicht
mehr lange aufrechterhalten lassen. Die zweite Welle der Cholera-Epidemie
in Wien im Jahr 1836 führte schließlich dazu, dass das „noch immer für die
Homöopathie geltende Behandlungsverbot […] von Kaiser Ferdinand I.
(1835-1848) aufgehoben“ wurde.114 Raimann sollte diesen Kampf also ver-
lieren; ganz durchsetzen aber konnte sich die Homöopathie nie, und auf lan-
ge Sicht sollte die wissenschaftliche Schulmedizin, die immer technisierter
und spezialisierter wurde und wird, durchsetzen. Ob aber Raimann über die
ethisch umstrittenen Errungenschaften modernster Medizin, wie etwa Präna-
taldiagnostik oder künstliche Verlängerung des Lebens in einen Graubereich
113 Karl Julius Aegidi zit. nach Jütte, Geschichte der Alternativen Medizin, S. 217.
114 Ehrlich, Ärzte, Bader, Scharlatane, S. 200.
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832