Seite - 115 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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zwischen Leben und Tod hinein, erfreut gewesen wäre? – Eine müßige Fra-
ge, die hier erst gar nicht gestellt werden soll.
Nach vier Übernachtungen in Laibach setzte die kaiserliche Reisegesell-
schaft am 22. Mai um 7 Uhr morgens ihre Fahrt fort; ihr Weg führte sie in
nicht ganz fünf Stunden über Ober-Laibach/Vrhnika, Loitsch/Logatec und
Planina/Planina pri Rakeku nach Adelsberg/Postojna, wo Raimann nach den
Laibacher homöopathischen Unannehmlichkeiten wesentlich angenehmere
und erfreulichere Eindrücke erwarteten. Bald nach der Ankunft stand eine
Besichtigung der Adelsberger Grotte, heute Postojnska jama geheißen, auf
dem Programm. Die Adelsberger Grotte gehört mit ihren rund 17 Kilometern
Länge zu den größten Höhlensystemen der Welt und ist heute ein touristi-
scher Anziehungspunkt ersten Ranges. Begeistert schildert etwa Dieter
Schulze im Baedeker die Tropfsteinwunder dieser „Top-Sehenswürdigkeit“
Sloweniens:
„Eine elektrische Kleinbahn fährt Besucher ins Innere der Erde; dort beginnt
ein Spazierweg durch das Höhlenlabyrinth. Allgegenwärtig ist das Geräusch
herabfallender Tropfen. Lampen werfen ein flackerndes Licht auf die weißen,
grauen und braunen Gebilde, die von einer glänzenden Wasserhaut überzogen
sind. Mal wachsen Stalagmiten aus dem Boden hervor, mal hängen Stalakti-
ten von der Decke herab. Oft verbinden sie sich auch zu fantastischen, vielge-
staltigen Säulen. Zuweilen sind die Felswände so fein gefaltet, dass man
glaubt, einen Vorhang zu sehen. Andere Tropfsteine formieren sich zu mäch-
tigen, bunt melierten Stufen, die wie ein versteinerter Wasserfall anmuten.“115
Die Tropfsteine und Versinterungen formen u.a. einen „Gigantenstein“ und
„Brillanten“, und das Höhlensystem hat auch einen „Konzertsaal“, einen
„Kalvarienberg“ sowie einen dampfenden See, welcher von einem unterirdi-
schen Fluss namens Pivka gespeist wird, zu bieten. All diese Sehenswürdig-
keiten sind heute leicht in Augenschein zu nehmen, waren im Jahr 1832 aber
noch recht beschwerlich zu erreichen, und für die kaiserliche Reisegesell-
schaft mochte der Besuch der Höhle doch ein Abenteuer darstellen. Dabei
war es gerade ein vorangegangener imperialer Besuch, welcher der touristi-
schen Erschließung der Postojnska jama wichtige Impulse verliehen hatte.
Bereits im Jahr 1818 hatte Franz I. die Grotte aufgesucht. „Ein Markstein in
der Entwicklung der ‚Adelsberger Höhle‘, wie sie früher hieß, zur weltbe-
kannten Schauhöhle war sicherlich der Besuch des österreichischen Kaisers
Franz I. Der Besuch war bestens vorbereitet, man hatte Führer, ‚Höhlenar-
115 Baedeker Slowenien (Ostfildern ²2007), S. 260.
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832