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120 paar Vater Unser den Grund des Schlundes treffen hört. Uberdas seynd etli-
cher Orten gräuliche Höhen darinn, und anderswo eine Menge abentheurli-
cher Bild-Seulen, welche Einem gleichsam allerley Ungeziefer vorstellen, als
Schlangen und dergleichen, imgleichen allerley Teufels-Larven. Solcher wüs-
ten und düsterlichen Figuren wird man hie und da in allen Winckeln, Böden
und an vielen Seulen mehr ansichtig weder dem Gesicht gefällig. Ja es steigen
Einem mancher Orten die Haar empor über solche Abentheuren, Mißgestal-
ten, tieffe Grüffte, Klüffte und Schlutten, wie auch erschreckliche Höhen; al-
so, daß man wol sagen mögte, die entsetzliche Curiositet habe da selbst ihren
rechten Muster-Platz. Denn je mehr man in diese Grotten sich vertieffet, je
mehr sie ihre Gestalten vergrausamt. Dennoch ist sie würdig, daß man sie be-
sichtige, und wird durch die Unleutseligkeit ihrer vielen Hölen Winckeln,
tieffen Schlunden und Schrunden, wie auch abscheulicher Figuren und Bilder,
ja durch die Häßlichkeit gleichsam selbst der Schau-Gierde recommendirt,
gleich wie ein wüster und wilder Africanischer Mor als etwan ein häßlicher
Hottentot mit nicht geringerer Schau-Lust angeblickt wird, als wie ein schö-
ner wolgebildeter Mensch in Europa. Denn die Ungewöhnlichkeit reitzet auch
mit scheußlicher und schrecklicher Gestalt die Besucher an sich, und was rar
ist, es sey lieblich oder grauerisch, das wird durch seine Ungemeinsamkeit
der Bewunderung fähig.“125
Die Adelsberger Grotte mit ihren Abgründen und Tropfsteinformationen sei
also genauso hässlich, aber ob ihrer Hässlichkeit genauso die Neugier rei-
zend, wie ein afrikanischer Mohr, ein Hottentotte etwa – nun, Valvasor
musste es ja wissen, er war immerhin Mitglied der Königlich-Englischen
Gesellschaft und ein erfahrener Afrikareisender, und Menschen mit schwar-
zer Hautfarbe waren im 17. Jahrhundert in der Tat eine Kuriosität in Euro-
pa.126 Wenn die Neugier und Schaulust zum Besuch der Höhle reizen moch-
ten, so konnte einem die Hässlichkeit der „Teufels-Larven“ schon ein wenig
Schrecken einjagen. Valvasor weiß aber von noch Schlimmerem als solchen
Tropfsteinteufeln zu berichten: In der Adelsberger Grotte mussten Gespens-
ter hausen! Dies hat er zwar von keinem Augenzeugen bestätigt bekommen,
aber er schloss es scharfsinnig aus dem Umstand, dass einst ein Mann aus
dem einfachen Volk in die tiefen Abgründe an einem Seil hinab gelassen
worden war, der, nachdem er wieder ans Tageslicht gekommen war, partout
nicht erzählen wollte, was er da unten denn gesehen hätte. Auch soll sich
dieser Mann geweigert haben, jemals wieder in die Tiefe der Höhle zurück-
125 Valvasor, Die Ehre dess Hertzogthums Crain, Bd. 1, S. 531.
126 Zu Valvasor vgl. ADB, Bd. 39 (Tunner-de Vins) (Leipzig 1895), s.v. Valvasor: Jo-
hann Weikhard, S. 471-475; DBE, Bd. 10 (Thibaut-Zycha) (München 1999), S. 180f.
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832