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ckungsstoff“ das Wechselfieber hervorrufen könne.164 Dass dieser „Anste-
ckungsstoff“ durch die an Gewässern lebenden Mücken übertragen werden
könnte, erriet Raimann, wie gesagt, nicht. Dafür aber sind manche der Unter-
teilungen der Wechselfieber, die Raimann in seinem „Handbuch der speciel-
len medicinischen Pathologie und Therapie“ anführt, auch heute noch in
Gebrauch; so entsprechen das „dreytägige Fieber“ und das „viertägige Fie-
ber“ oder „Quartanfieber“ Raimanns165 den heutigen Bezeichnungen Malaria
tertiana und Malaria quartana. Und neben anderen Heilmitteln wie Bitter-
klee, Senf und Tollkirschen empfahl er auch die Rinde des Chinabaumes als
Arznei gegen die Wechselfieber: „Die Chinarinde ist aus allen angeführten
das zuverlässigste, zugleich ein bey richtiger Anzeige vollkommen sicheres,
und darum das schätzbarste und erste Fiebermittel.“166 Chiningaben dienen
bekanntlich auch heute noch zur (prophylaktischen) Bekämpfung von Mala-
ria. Anders als zu Raimanns Zeiten gibt es aber heute in Mitteleuropa gottlob
keine endemische Malaria mehr – und es bleibt zu hoffen, dass die vieldisku-
tierte Klimaerwärmung an diesem Umstand nichts ändern möge.167
Mit der Malaria ist die neben der Trunksucht und der Trägheit der Bevölke-
rung wichtigste Ursache des in dem Bezirk Parenzo angeblich zu konstatie-
renden Mangels an Kultur hiermit abgehandelt. Trotz dieser angeblichen
Kulturlosigkeit war jedoch dem Kaiser beim Einzug in die Stadt ein gebüh-
render Empfang bereitet worden: Als Willkommenszeichen für Franz I. und
seine Gemahlin hatten die Bewohner von Parenzo, wie schon zuvor die Ein-
wohner von Triest, Pirano und Buje auch, weiße Tücher und mit farbigen
Tüchlein besetzte „Pikotdecken“ zum Fenster hinaus gehängt. Als der Kaiser
einzog, rief die Menge unaufhörlich: „Que viva l’Imperatore, nostro padre!“
Die Bevölkerung der istrischen Küstenstädte scheint damals noch zu großen
Teilen aus Italienern bestanden zu haben. Auch eine erste ethnographische
Notiz flocht Raimann hier ein, die meist schwarze oder dunkelblaue, mit
über Kopf und Schultern getragenen weißen Tüchern vervollständigte Klei-
dung der „hiesigen Landweiber“ betreffend.
164 Raimann, Handbuch, Bd. 1, S. 197f.
165 Raimann, Handbuch, Bd. 1, S. 184f.
166 Raimann, Handbuch, Bd. 1, S. 211.
167 Zur Geschichte der Malaria vgl. Wilhelm von Drigalski, Männer gegen Mikroben.
Pest, Cholera, Malaria und ihre Verwandten in Geschichte und Leben (Berlin 1951);
Marlene Jantsch, Die Malaria. Ein geschichtlicher Überblick (Wien 1948); Erwin Schi-
mitschek, Günther T. Werner, Malaria, Fleckfieber, Pest. Auswirkungen auf Kultur und
Geschichte – medizinische Fortschritte (Stuttgart 1985).
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832