Seite - 151 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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weibliche Jugendâ ins Auge, besonders die jungen Frauen aus einem âbe-
nachbarten, ganz von einer Colonie Griechen bewohnten Dorfeâ scheinen
ihm gefallen zu haben. Es gab also damals Griechen in Istrien, vielleicht ein
ethnisches VersatzstĂŒck aus venezianischer Zeit, waren Teile Griechenlands
und griechische Inseln doch lange Zeit Teil des venezianischen Herrschafts-
bereiches gewesen, die ionischen Inseln z.B. bis zum Ende des 18. Jahrhun-
derts und damit bis zum Ende der venezianischen SelbstÀndigkeit. Gut mög-
lich, dass die Venezianer zum Zwecke der Peuplisierung Griechen in Istrien
angesiedelt hatten.189 Jedenfalls hatte Dignano als Stationierungsort fĂŒr ve-
nezianisches MilitĂ€r gedient, da die Venezianer âdas lĂ€ndliche dem âunge-
sundenâ Leben in der Hafenstadt Pulaâ vorgezogen hatten. Heute sollen in
Vodnjan ânoch einige Einwohnerâ leben, âdie den alten istroromanischen
Dialekt sprechenâ;190 von Griechen ist aber nicht mehr die Rede, sie wurden
wohl mittlerweile assimiliert. Vielleicht berichtet Raimann ja auch nicht von
âwirklichenâ Griechen, sondern meinte vielmehr Menschen griechisch-
orthodoxer Religionszugehörigkeit â nach der VolkszĂ€hlung von 1910 soll
es in der Markgrafschaft Istrien immerhin 1050 griechisch-orthodoxe Serben
gegeben haben.191 Vielleicht aber handelte es sich ja auch um Angehörige
anderer in Istrien hausender Völker â hier gab es neben Italienern, Kroaten,
Slowenen und Deutschen auch noch Uskoken und Tschitschen. Die Uskoken
waren Slawen, die als ausgebeutete PĂ€chter und zu Raimanns Zeiten wohl
auch als StraĂenrĂ€uber ihr Leben fristeten. Neben den (angeblich) klar einem
Volksstamm zuzuordnenden Bevölkerungsgruppen gab es aber auch noch
eine italienisch-slawische Mischbevölkerung, die âein mit vielen italieni-
schen Worten gemengtes Slawisch, das sog. Schiavetto, spricht.â Und als ein
solches Mischvolk galten die sogenannten Tschitschen:
âAuch die Tschitschen selbst sind als ein solches Mischvolk zu bezeichnen.
Bei ihrem Erscheinen im 15. Jahrhundert haben sie noch rumÀnisch gespro-
chen und wurden von den Slawen wie alle Romanen der LĂ€nder zwischen
dem Schwarzen Meer und der Adria Vlach, plur. Vlasie genannt (vgl. das
germ. Walh, WĂ€lsche). Ihre Herkunft ist dunkel. Den Namen âÄiÄiâ verdan-
ken sie dem Worte âcicaâ = Vetter oder Onkel, mit dem sie sich begrĂŒĂen. Sie
sind ein körperlich krÀftig entwickelter Menschenschlag von vorwiegend
189 Zu den KolonisationsmaĂnahmen der Venezianer in Istrien vgl. Egidio Ivetic (Hrsg.),
Istria nel tempo. Manuale di storia regionale dellâ Istria con riferimenti alla cittĂ di
Fiume, 2 Bde. (Rovigno 2006), Bd. 1, S. 387f.
190 Peitz Hlebec, Istrien und Kvarner Golf, S. 45.
191 Schneider, Imendörffer, Mein Ăsterreich, mein Heimatland, Bd. 2, S. 170.
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Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832