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Bauten sie flugs ein Städtchen, das gerne der Grieche benannte
Bannstadt, Pola jedoch ward es von jenen genannt.“194
Der im ersten Jahrhundert nach Christus wirkende Pomponius Mela war
erstaunt über die wechselhaften Zeitenläufe. Auch nach ihm war „Pola, einst,
wie man überliefert, von Kolchern bewohnt – wie sehr können sich doch die
Verhältnisse ändern: heute ist es eine römische Kolonie.“ (Chorographie, II
57)195 Was aber zu Pomponius Melas Zeiten noch heute war, ist nun schon
lange ein beinahe gänzlich vergessenes Gestern, und den Römern folgten
Goten, Byzantiner, Langobarden, Venezianer und Österreicher, und auch
diese waren in Pola bloß Episode, denn im 20. Jahrhundert wurden sie von
den Italienern abgelöst, und diese wiederum von Jugoslawen und Kroaten. In
der Tat, „in quantum res transeunt!“196 Solche Gedanken bewegten auch
Johann Nepomuk Raimann, als er in Pola weilte. Raimann berichtet, dass die
Bevölkerung Polas im Jahr 1832 „kaum 1000 Seelen betrug“, und er ver-
gleicht diese ihm nichtig erscheinende Zahl mit der glorreichen Vergangen-
heit: „Zu welchen ernsten Betrachtungen führt diese dermalige Nichtigkeit,
wenn man an jene Größe denkt, bey welcher die Stadt auf 7 Hügeln – wie
Rom – ausgedehnt nach den Ruinen des Theaters, welches bey 20,000 Men-
schen gefaßt hat, zu schließen, wenigstens 100,000 Einwohner gehabt haben
mag, und an jenen Glanz vor 2000 Jahren, dessen Spuren noch heute in den
zuvor genannten Werken aus der goldenen Zeit der Römer erkannt werden.“
Die römischen Überreste Polas hatten Raimann schon bei seiner Ankunft
beeindruckt; das imposante Steinoval des Amphitheaters, das damals noch
etwas außerhalb der Stadt, „etwa 200 Schritte vor den ersten Häusern von
Pola“, gelegen war, war der erste Eindruck, den Pola ihm bot. Das Amphi-
theater, auch Arena genannt, war in seinem Inneren damals noch mit Schutt
angefüllt, und anstatt der nach heutigen Schätzungen ca. 23.000 Zuschauer
(Raimann lag mit seiner Schätzung von 20.000 sehr gut) bevölkerte gefährli-
ches Getier das Bauwerk: „Man muß vorsichtig in und um diese Arena ge-
hen, weil die Höhlungen und Klüfte Schlangen, die Steinhaufen Skorpione
beherbergen und decken.“ Der kaiserliche Leibarzt Raimann und der k. k.
194 Strabon zitiert Kallimachos in seiner „Erdbeschreibung“ (1, 2, 39); hier zit. nach
Strabo, Geographica. In der Übersetzung und mit Anmerkungen von A. Forbiger (Wies-
baden 2005), S. 73. Vergleiche auch Strabo, Geographica (5, 1, 9), S. 296.
195 Pomponius Mela, Kreuzfahrt durch die alte Welt. Zweisprachige Ausgabe von Kai
Brodersen (Darmstadt 1994), S. 111.
196 Pomponius Mela, Kreuzfahrt durch die alte Welt, S. 110.
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832