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zum Trotz, die neue Blüte Polas weiterhin anhalten sollte, sodass es heute,
zu Beginn des 21. Jahrhunderts, mit seinen über 80.000 Einwohnern „die
eigentliche Metropole Istriens“ darstellt.204 In die Zukunft schauen konnte
Raimann aber nicht, und das seinerzeitige Pola stimmte ihn traurig, da er nur
der vergangenen Größe gewahr wurde. Darüber hinaus schien ihm die für
Fisch und Olivenöl bekannte Küche der mediterranen Küste nicht recht zu
behagen, denn er vermisste Deftigeres: „Man hat daselbst kein Schmalz,
keine Butter, kein Kalbfleisch, wenig Geflügel, wenige Eyer.“ Jedoch, der
südlichste Punkt der Reise war erreicht, von nun an sollte es wieder gen
Norden gehen, zurück in Richtung Butter und Schmalz.
Am 3. Juni 1832 verließ die kaiserliche Reisegesellschaft Pola und begab
sich über Dignano/Vodnjan und St. Vincenti/Svetivinčenat nach Pisi-
no/Pazin, „der Kreisstadt Istriens“. Pisino, das zu Deutsch Mitterburg hieß,
war von 1825 bis 1861 das Verwaltungszentrum des österreichischen Istrien,
und so wirkte auch ein Kreisarzt in dieser Stadt, der Raimann von „allerley
Wechselfiebern“ erzählte, die die Mitterburger Bevölkerung quälten, und
von im Sommer auftretenden Ruhr-Epidemien. Ähnlich wie schon in Lai-
bach musste Raimann auch hier feststellen, dass die Bevölkerung zu den
Ärzten und Krankenhäusern kein Zutrauen hatte und sich im Krankheitsfalle
lieber von Geistlichen heilen ließ. Raimann war, wie gesagt, vom Gesundbe-
ten aber gar nicht angetan, sodass er seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass
der höhere Bildungsgrad einer neuen Generation von Geistlichen solchem
abergläubischen Treiben ein Ende setzen werde. Gewiss, wenn „Bischöfe,
welche die Gesetze, u den Geschäftsgang kennen“, am Werk sind, so kann
man wohl in der Tat davon ausgehen, dass „für die Bildung und Industrie im
Kreise viel werde geleistet werden.“ So aber mieden die Bürger Mitterburgs
größtenteils das Spital, das ja auch bloß „ein kleines Versorgungshaus in
einem schlechten Lokale“ war. Nach Bildung aber verlangte es die Bürger
Pisinos, denn „man wünscht auch ein Gymnasium, zu dessen Errichtung die
Stadt ein Gebäude zur Verfügung überlassen wollte.“ Ende des 19. Jahrhun-
derts sollte in Pisino dann auch ein kroatisches Gymnasium eröffnet werden,
und die Stadt wurde zu einem Zentrum der kroatischen Kultur in Istrien.205
Mehr beeindruckt als vom Bildungshunger der Mitterburger war Raimann
von der Fojba-Schlucht, die sich bei Pisino gähnend auftut und die schon
dem Dichter Dante wie das Inferno selbst vorgekommen sein soll. Raimann
204 Peitz Hlebec, Istrien und Kvarner Golf, S. 48.
205 Vgl. Peitz Hlebec, Istrien und Kvarner Golf, S. 42f.
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832