Seite - 158 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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schreibt: „Pisino liegt am Abhange eines hohen, steilen, durch eine Fels-
schlucht getheilten Berges. In diese Schlucht fällt der Bach Foiba, welcher
durch ein tiefes Thal hieher sich windet; wo er wieder hervorbreche und sich
ohne Zweifel ins Meer ergieße, hat man noch nicht ausgemittelt.“ Istriens
Inneres birgt so seine Geheimnisse.
Bevor Raimann von der Abreise aus Pisino/Pazin/Mitterburg berichtet, teilt
er über den Ort Portole, an welchem er logischer Weise erst nach der Abrei-
se vorbeikommen konnte, mit, dass sich in dessen Nähe eine warme Schwe-
felquelle befinde, die jedoch aufgrund wirtschaftlicher Trägheit ihres Besit-
zers nicht als Heilquelle in Betrieb sei – ein weiteres Indiz dafür, dass er den
Reisebericht erst nach Beendigung der Reise angefertigt hat. Am 4. Juni
jedenfalls ging die Reise über Coroiba/Karojba, Montona /Motovun und
eben jenes Portole/Oprtalj weiter bis nach Capodistria/Koper. Unterwegs
bemerkte Raimann hohe Berge, steile Straßen, einen Eichenwald, der im
Staatseigentum stand und als Materialreservoir für den Schiffbau diente, und
viele kahle Gegenden, „welche gleichsam als Spuren gewaltiger Zerstörun-
gen durch Wasser und Feuer einen sehr traurigen niederschlagenden Anblick
großer Ausdehnung gewährten.“ Die – wohl großteils durch Eingriffe des
Menschen verursachte – Erosion prägte offensichtlich schon im 19. Jahrhun-
dert über weite Strecken das Landschaftsbild Inneristriens. Nach diesen
trostlosen Landstrichen kam Raimann die heute slowenische Küstenstadt
Capodistria/Koper, die er als „gegenwärtig die hübscheste Stadt von Istrien“
bezeichnete, umso lieblicher vor. Hier standen zwar alte, „die Oberherrschaft
der Republik Venedig verrathende“ Häuser, die jedoch sauber und reinlich
waren, und endlich fand er auch ein Krankenhaus vor, dessen Zustand nicht
zu Tadel Anlass gab. Der Leiter der Anstalt, ein gewisser Dr. Manzoni, der
auch das Gefängnis medizinisch betreute, sorgte dafür, dass das direkt am
Meer liegende Spital reinlich gehalten wurde, sodass die geräumigen Kran-
kenzimmer, die „gehörig eingerichtet“ waren, „ohne üblen Geruch“ waren.
Wenigstens ein Krankenhaus in Istrien, von dem Raimann Positives zu be-
richten wusste; dazu gab es auch noch ein „Marodehaus für erkrankte Solda-
ten“, und die Salzgärten, derer wir schon weiter oben gedachten – glückli-
ches Capodistria! So fand die Reise durch die nach Raimanns Geschmack zu
dünn besiedelte, von schmutzigen, schlecht versorgten Städten und Dörfern
und oft allzu kargen Landschaften geprägte Halbinsel Istrien ein versöhnli-
ches Ende. Und so wollte Raimann, wie es scheint, auch sein Diktum über
den von Trägheit und Trunksucht geprägten Charakter der Bevölkerung Ist-
riens in seiner tristen Negativität etwas relativieren; wenn er auch weiterhin
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Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832