Seite - 160 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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Robust gebaute, aber schöngesichtige Frauen, Männer mit Verstand andeu-
tender Gesichtsbildung, bei beiden Geschlechtern eine lebhafte Sprechweise
und geschmacklose, aber zumindest in Anwesenheit des Kaisers reinliche
Kleidung – vieles wäre hier einer eingehenderen Betrachtung wert. Zu späte-
rer Gelegenheit wollen wir auf Raimanns ethnographische Notizen zurück-
kommen, hier aber wollen wir es bei seinen Betrachtungen bewenden lassen.
Eines aber bleibt festzuhalten: Der Besuch eines Kaisers hebt scheints die
Moral und verbessert auch die Kleidungssitten.
Triest bis Belluno
Nach der zwölf Tage währenden Reise durch Istrien langten der Kaiser und
sein Gefolge am 5. Juni 1832 in Triest an, um sodann zwei Wochen lang in
dieser reichsunmittelbaren Stadt zu verweilen. Raimann stürzte sich sogleich
wieder in seine Pflichten als ranghöchster Mediziner: Er besichtigte den
Bauplatz des neu zu errichtenden Allgemeinen Krankenhauses von Triest,
besah dessen Baupläne und ein „recht nett verfertigtes“ Pappendeckelmodell
desselben. Ein solches neues Krankenhaus war dringend vonnöten, waren
doch bislang „die Kranken, die Irren, Schwangeren und Wöchnerinnen, dann
die Findlinge“ in engen, getrennt stehenden und schwer zu versorgenden
Gebäuden auf dem Kastellberg, also auf dem Colle San Giusto unterge-
bracht. Die Syphilitiker, die chrirurgisch zu Behandelnden und die Augen-
kranken waren überhaupt von den anderen Kranken „weit entfernt“. Und die
Cholerakranken hatte man gar in eine umgebaute Zuckerraffinerie verlegt,
von der Raimann beklagte, dass sie zu weit von der alten Stadt entfernt „und
leider! nur das einzige [Choleraspital] für ganz Triest“ darstellte. Dafür aber
hatte die Stadt ein mustergültiges Armenhaus, das auf private Initiative ge-
gründet, durch Subskriptionsbeiträge und von der Stadt erhalten und durch
die Bürger verwaltet wurde. 300 bedürftige Menschen fanden in diesem
„menschenfreundlichen Institut“ eine Bleibe, und täglich wurden 1000 Men-
schen von ihm mit Essen versorgt. Die Armut war freilich ein strukturelles
Problem, das im Vergleich zu heute große Teile der Bevölkerung betraf;
schon die Zahl der in Triest vom Armenhaus versorgten Personen weist dar-
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832