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Lehrplan die Schüler zusätzlich abschreckte. Weiters erwähnt Raimann eine
„neue kathol. Kirche, an welcher noch gearbeitet wird“. Diese Kirche ist
gewiss das am Ende des Canal Grande liegende Gotteshaus San Antonio
Nuovo, ein Bau aus dem mittleren 19. Jahrhundert: „Sechs ionische Säulen
tragen über einer sechsstufigen Freitreppe einen Tempelgiebel, dessen
Schrägen sich klar und deutlich von der durch eine statuengeschmückte Ba-
lustrade abgeschlossenen Rückwand abheben, ähnlich wie die Säulen von
ihrem dunklen Hintergrund.“208 Der Architekt Pietro Nobile schuf hier ein
Bauwerk, das „die asketische Seite des Klassizismus“ zur Geltung bringt,
wenn auch nicht unbedingt ganz freiwillig: „Aus der Not der für die ur-
sprünglich reicher geplante Dekoration nicht ausreichenden Mittel wird die
Tugend eines abwechslungsvoll geformten und trotzdem strengen Rau-
mes.“209 Raimann sah dies etwas prosaischer, er schreibt von „schönen Säu-
len auch im Inneren, wo sie allerdings den ohnehin kargen Raum beeinträch-
tigen“.
Die schönsten „Spazierörter“ und Ausflugsziele dürfen in Raimanns Schilde-
rung von Triest natürlich nicht fehlen, und so nennt er mehrere dieser Loka-
tionen. Und auch die „große Seifen-Fabrik des Hrn Chiozza“, so fand er,
verdiente ob der in ihr produzierten, „der Form und Farbe nach mannigfa-
chen Sorten von Seife […] ein Stündchen Zeit“. Besondere Beachtung ver-
dient jedoch die kurze Passage, in der Raimann auf die Tätigkeit eines aus
honorigen Bürgern bestehenden Lesevereins aufmerksam macht, die auf das
Sammeln von Altertümern gerichtet war: „Das Lese-Kabinett, Minerva, von
einer Gesellschaft von Aerzten u Juristen, an deren Spitze Dr Rosetti steht,
errichtet und unterhalten, sammelt nach und nach alterthümliche Merkwür-
digkeiten Münzen, Denksteine mit Inschriften, Gemälde, Bildnerarbeiten.
Dr. Rosetti beehrte mich mit 2 Gedächtniß-Medaillen.“ Im Sammeln antiker
Überreste aller Art kommt eine Wertschätzung für alles Griechische und
Römische zum Ausdruck, die seit der Renaissance und dem Humanismus
das kulturelle Leben ganz Europas prägte, ja recht besehen auch während
des sogenannten Mittelalters – wenn auch in anderer und weniger offensicht-
licher Form – festgestellt werden kann. Hiermit ist jener weitläufige The-
menbereich angesprochen, der in der Geisteswissenschaft unter den Schlag-
wörtern des Nachlebens oder der Wirkungsgeschichte der Antike firmiert.
Auch wenn die Hochzeit der Antikebewunderung und Antikenachahmung
208 Zürcher, Friaul und Istrien, S. 202.
209 Zürcher, Friaul und Istrien, S. 203.
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832