Seite - 178 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
Bild der Seite - 178 -
Text der Seite - 178 -
178
Tirol
Am 22. Juni 1832 brachen der Kaiser und seine Gefolgschaft in Richtung
Norden auf; über Longarone, Perarolo, Venas, Cortina d’Ampezzo und
Landro nach Niederdorf. Nun war man in Tirol, das damals noch nicht in
Nord, Süd und Ost geteilt war. Man war wieder in deutschsprachigem Ge-
biet, das Wetter war schlecht („in Niederndorf regnete es sechs Stunden lang
sehr stark“), und von den Bergesgipfeln leuchteten Schnee und Eis. Die Rei-
se aber führte Raimann am 23. Juni weiter das Pustertal hinab, über Bru-
neck/Brunico und Vintl nach Brixen/Bressanone, ein Städtchen am Zusam-
menfluss von Rienz und Eisack. In Brixen fühlte Raimann die Rauheit des
alpinen Klimas nicht allzu stark, denn „dieses eng zusammen gebaute Städt-
chen liegt in einem fruchtbaren Kessel, aus dem man keinen Glätscher sieht,
es hat daher eine ziemlich milde Temperatur.“ Schon so manchem von der
Adria Heimkehrenden erschien das Wetter in den und nördlich der Alpen
nach seiner Reise viel schlimmer als vor Antritt derselben. Freilich hatte
einst ein weit exotischeres und dem Süden noch viel inniger verbundenes
Lebewesen als Raimann Brixen besucht: 1551 hatte Kaiser Maximilian II.
einen Elefanten, den er vom König von Portugal als Geschenk erhalten hatte,
in die Stadt geführt.236 Dieses Tier hatte die Kälte der Alpen gewiss härter
gefühlt als Raimann, der den Verlust an warmem Klima immerhin mit der
Betrachtung sakraler Kunst kompensieren und den Brixener Dom besichti-
gen konnte: „Die dortige Domkirche ist sowohl hinsichtlich der Bauart als
auch der inneren Ausstattung, wozu einige meisterhafte Gemälde gehören,
schön zu nennen.“ Mit dem Dom von Brixen hatte Raimann wieder ein
236 Vgl. Walter Pippke, Ida Leinberger, Südtirol. Landschaft und Kunst einer Gebirgsre-
gion unter dem Einfluss nord- und südeuropäischer Traditionen (Ostfildern ³2006), S.
63f. Pippke und Leinberger nennen Maximilian I. als Besitzer des Elefanten, was sich
aber zeitlich nicht ausgeht, da dieser bereits 1519 verstarb; Maximilian II. aber heiratete
1548 die Infantin Maria von Spanien, wodurch die Infantin Isabella von Portugal, eine
Tochter des portugiesischen Königs Manuel I., zu seiner Schwiegermutter wurde – so
wird auch verständlich, wie Maximilian zu einem ‚portugiesischen‘ Elefanten kam.
(Allerdings hatte auch Maximilian I. portugiesische Wurzeln, war seine Mutter doch
Eleonore von Portugal.) Wie auch immer: Entweder haben sich Pippke und Leinberger in
der Jahreszahl geirrt – oder aber im Maximilian. Zu Maximilian II. vgl. Hartmann,
Schnith, Die Kaiser, S. 521-528. Zu den historischen Verbindungen Tirols mit der Iberi-
schen Halbinsel vgl. Franz-Heinz Hye (Red.), Spanien, Tirol, Innsbruck – Zeugen ge-
meinsamer Geschichte. Stadtarchiv-Ausstellung (Innsbruck 1992).
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832