Seite - 183 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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und damals noch als den höchsten Berg Deutschlands bezeichnen konnte
(einerlei, ob er mit „Deutschland“ die Gesamtheit der deutschsprachig besie-
delten Länder meinte oder die Territorien des Deutschen Bundes, dessen
Vormacht im Jahr 1832 noch unangefochten Österreich war), und passierte
bei Spondinig eine Wegkreuzung, bei der eine neu gebaute, breite und für
damalige Verhältnisse bequeme Straße, die nach dem Stilfserjoch und weiter
ins Veltlin und in die Lombardei führte, abzweigte. Raimann bezeichnete
diese Straße als „die höchste Bergstraße in der Welt“ – ein schönes Beispiel
für den von Franz I. geförderten Ausbau des Wegenetzes, dessen wir schon
weiter oben gedachten. Am 29. Juni langten der Kaiser und sein Gefolge in
Mals an; Raimann beobachtete die von Hirten zum Schutz vor den Bären
entzündeten Wachfeuer, er beklagte das kalte Wetter (wenn er seine Unter-
kunft verließ, musste er den Mantel anlegen), und stellte fest, dass die Ge-
gend karg, die Bevölkerung aber zahlreich war, was etliche Bewohner des
oberen Etschtales dazu zwang, ab- oder gar auszuwandern. Beim Blick auf
die an der Grenze zur Schweiz liegenden Ortschaft Taufers kam ihm wieder
der Kampf der Tiroler gegen Napoleon in den Sinn, denn bei Taufers, so
hielt er fest, geschah im Jahr 1799 „der höchst verderbliche Einfall der Fran-
zosen“. Raimann berichtet, dass einer seiner ehemaligen Studenten, ein ge-
wisser Dr. Matzegger, dessen Vater bei den Kämpfen um Taufers ums Leben
gekommen war, ihm von diesen Ereignissen erzählte, aber leider teilt er uns
nichts über den genaueren Inhalt dieser Erzählung mit.
Am 29. Juni reiste man von Mals, dem Verlauf der Etsch bis an ihren Ur-
sprung folgend, nach Nauders, einer Ortschaft, die bereits im heutigen Nord-
tirol liegt, und von dort weiter über Pfunds und Ried bis Landeck. Man be-
fand sich nun im Inntal, und das Klima wurde wärmer und angenehmer.
Raimann war von den steilen Bergen und den schroffen Felsen und Schluch-
ten beeindruckt, respektvoll berichtet er von „schauderhaften Schlünden und
Felsenschluchten“ und von den schäumenden Wassern „des aus der Schweiz
her brausenden Inn’s“. Am 30. Juni folgte die Reisegesellschaft dem Lauf
des Inn und gelangte über Imst, Nassereit, Mieming, Telfs, Platten und Zirl
nach Innsbruck. Das Inntal wurde zusehends breiter und weniger wild, aber
dennoch bemerkte er, dass hier das Klima weit weniger mild war als in Süd-
tirol: „Der Roggen war noch keineswegs reif.“ Dafür aber war die Heuernte
im Gange. Bei Zirl warf Raimann einen Blick auf die Martinswand, eine
über 500 Meter steil emporragende Felswand, die das Inntal in Ober- und
Unterinntal teilt und bei der, nebenbei bemerkt, im Tiroler Heldenjahr 1809
ebenfalls gekämpft wurde. In der Martinswand soll sich einstens Kaiser Ma-
Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832