Seite - 16 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
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16 blieben nicht nur instabil, sie erschienen in vielfachen, auch nationalen Brechungen. Be-
kanntlich wurden sie von Anfang an heftig kritisiert. Mit Quatremère de Quincy meldete
sich ein Mitglied der alteuropäischen Gelehrtenwelt zu Wort und beschwor angesichts des
Universalmuseums im Louvre als Gegenmodell die Stadt Rom, wo die Kunst eigentlich zu
Hause sei und die ihr angemessene Atmosphäre atme. Der Gelehrte übersah zwar, dass
sich die Stadt Rom längst schon selber in Richtung eines Museums verwandelte, erkannte
jedoch genau, dass die „sichtbare Geschichte der Kunst“ (wie Mechel sie nannte) mit einem
Verlust von Erinnerungsorten einherging. Zu den gegenwärtigen Aufgaben der Kunstge-
schichte, wie Wolf sie sieht, gehört es, museale Objekte wieder als Erinnerungsorte zu be-
greifen, die gerade nicht in großen kunsthistorischen Narrativen aufgehen.
Auf das dialektische Panorama folgt ein historischer Rückblick auf das ancien régime.
Bevor es im Lauf des 18. Jahrhunderts zu einer dauerhaften Institutionalisierung von Mu-
seen kam, zeichneten sich fürstliche Sammlungen durch eine gewisse Form von Unbestän-
digkeit aus. Wie ROBERT FELFE in seinem Beitrag zur Sammlungskultur des 17. Jahr-
hunderts ausführt, waren sie so eng an die Person des jeweiligen Fürsten gebunden, dass
sie sich mit dessen Tod auflösen konnten. Zudem trug eine höfische Kultur des Verschen-
kens von Kunstobjekten dazu bei, dass diese Sammlungen auch zu Lebzeiten des Samm-
lers „instabile Ensembles“ waren. Im Umkreis der fürstlichen Sammlungen waren Agenten
zu finden, die eigene Strategien der Professionalisierung entwickelten und sich als Kunst-
experten zu etablieren vermochten. Felfe beschreibt diesen Typus am Beispiel von Charles
Patin, der, nachdem er seine eigene Sammlung verloren und zur Flucht aus Frankreich ge-
zwungen worden war, jahrelang durch Europa reiste, die bedeutendsten Kunstkammern
und Museen besuchte, Kontakte knüpfte und sich als Kenner, Ratgeber und Vermittler ein-
zuführen wusste – auch am Wiener Hof.
Gerhard Wolfs kritische Horizonterweiterungen und Robert Felfes historischer Rückblick
werden ergänzt durch den Versuch von DEBORA J. MEIJERS, einige Eigentümlichkei-
ten der Wiener Gemäldegalerie durch die Einführung von Außenperspektiven deutlich zu
machen. Wurde die Galerie um 1780 allgemein als extrem progressiv angesehen, verlor
sie diesen Status im Lauf der folgenden Jahrzehnte und machte im Vergleich zu den neu-
artig präsentierten Gemäldesammlungen in Berlin, Dresden, München und London bald
Abb. 3
Modell der Stallburggalerie,
nach Storffer 1720–1733, Details.
(Rekonstruktion: Autorin, 2010)
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Band
- 1
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorie
- Kunst und Kultur