Seite - 44 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
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Fischer
Kunst nach Ordnung, Auswahl und System
überraschenden Reaktion auf das erzielte Resultat, nämlich Mechel für eine Neuordnung
der Galerie zu engagieren, zu vermuten, dass Rosa mit seiner Neuaufstellung im Belvede-
re manche Erwartungen des Hofes nicht erfüllt hatte. Dementsprechend bitter vermerkte
Rosa nachträglich in das Inventar von 1772: „Dieses Inventarium kann hinfüro zu nichts
dienen, da ich auf allerhöchste Befehle, durch S.r Exz. des H. OberstCämmerers Grafen von
Rosenberg, ein Hand Billet von 19 Jan.r 1780 erhielt und in Henden habe, dem Mechel die
Schlüssel der k: k: Bilder Galerie und dazu gehörigen Orthen auszuhändigen. Die Zeit wird
die Wahrheit anzeigen was ich zum Voraus S.r Mayesteth dem Kayser Joseph dem Zweiten
wegen diesem allerhöchsten Befehle unverhalten sagte.“71
Rosas Leistung, die Überführung der Gemäldesammlung in das Belvedere, die Aufstel-
lung ebendort und die allgemeine Öffnung der Galerie, wurde durch die folgende Neu-
einrichtung von Christian Mechel völlig in den Hintergrund gedrängt, obwohl sich das
kurze Zwischenspiel Mechels (von der Aushändigung der Schlüssel für das Belvedere im
Jänner 178072 bis zur Schlüsselabnahme im September 178173 waren es nicht einmal zwei
Jahre) gegen Rosas jahrelange intensive Auseinandersetzung mit den Gemälden der
Sammlung als eine nur eingeschobene Episode ausnimmt. Die Neuerungen, die Mechel in
der Galerie vornahm, beziehen jedoch die unmittelbare Vorgeschichte seiner Intervention
mit ein und waren keineswegs isolierte Ereignisse in der Galerieentwicklung. Joseph Rosa
trug durch seine grundlegenden Arbeiten – die Sichtung, die Klassifizierung, die Restaurie-
rung und Ordnung der gesamten Gemäldebestände der kaiserlichen Sammlungen sowie
die grundsätzliche Disposition nach Malerschulen – entscheidend zum nachfolgenden au-
ßergewöhnlichen Innovationsschub in der Neugestaltung der Galerie bei.74
CHRISTIAN MECHEL: INTERMEZZO
Weniger generell konträre Sammlungsideale dürften für die Bevorzugung Mechels eine
Rolle gespielt haben, sondern seine von Rosa deutlich unterschiedene, anscheinend als
,moderner‘ gewertete Karriere als Kunstkenner und als Geschäftsmann: Christian Mechel
verbrachte seine Lehrjahre als Stecher in Augsburg, ging 1757 zur Fortsetzung seiner
Ausbildung zum damals angesehensten deutschen Kupferstecher Johann Georg Wille
nach Paris und etablierte danach einen äußerst erfolgreichen Kunsthandel in Basel.75
(Abb. 23) Nicht zu unterschätzen ist seine Betätigung als Cicerone für zahlreiche Schweiz-
reisende, unter anderen für Nicolas Pigage, Leonhard Usteri, Johann Bernoulli, Johann
Caspar Lavater und Johann Wolfgang von Goethe, denen er nicht nur die Stadt Basel,
sondern auch sein Kupfersticharchiv und seine Gemäldesammlung vorführen konnte.
Wesentliche kunstwissenschaftliche Impulse dürften ihm die 1766 bei Johann Joachim
Winckelmann verbrachten Monate in Rom gebracht haben. Der durchschlagende Erfolg
Mechels basierte größtenteils auf seinen europaweiten Verbindungen zu Künstlern, Ver-
legern, Kunstkennern und Sammlern. Mittels Korrespondenzen, Reisen und gedruckten
Nachrichten wurden in diesem Netzwerk von Gelehrten in ständigem Austausch und Dis-
kussion verschiedene kunstwissenschaftliche Modelle und Sammlungstraditionen rezi-
piert und diskutiert.
Für das Wiener Engagement zur Neuordnung der kaiserlichen Galerie besonders emp-
fohlen hatte sich Mechel durch die Mitherausgabe der großen zweibändigen Galeriepub-
likation La Galerie Électorale de Dusseldorff ou Catalogue raisonné et figuré des ses tableaux
(1770–1778).76 Lavaters Schilderung, die auf einen ihm zugetragenen Bericht Mechels ba-
sierte, ist zu entnehmen, dass Mechel auch Kaiser Joseph II. bei dessen Aufenthalt in Basel
auf der Rückreise von Paris nach Wien 1777 als Stadtführer diente und ihm bei dieser Ge-
legenheit das fast fertige Düsseldorfer Galeriewerk präsentieren konnte – woran dieser
Abb. 23
Johan Jakob v. Mechel nach einem Gemälde
von Anton Hickel, Christian von Mechel,
Bildnis des Künstlers, 1785/87, Kupferstich
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Band
- 1
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorie
- Kunst und Kultur