Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
Seite - 60 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 60 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1

Bild der Seite - 60 -

Bild der Seite - 60 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1

Text der Seite - 60 -

60 Fischer Kunst nach Ordnung, Auswahl und System vor meinen Augen werden, und von Grad zu Grad zur Vollkom- menheit erheben, so wie ich von Wand zu Wand ging. Es war für mich eine anschauliche Ge- schichte des mensch lichen Geis- tes, wie er in einer von den schö- nen Künsten erfand, fortschritt, und allmählich zu Vollkommen- heit hinaufstieg. Im ersten Stocke des Gebäudes, der die italieni- schen und niederländischen Ge- mälde enthält, war ich im gold- nen Zeitalter der Kunst; als ich die Treppe hinaufgestiegen war, kam ich ins silberne und eiserne unter die alten Niederländer und Deut- schen.“159 (Abb. 37, 38, 39, 40) Die Betrachtung der ,Blüte‘ niederländischer Kunst im ersten Stock und die Betrachtung der Geschichte niederländischer Kunst im zweiten Stock des Belvedere lassen zumindest die Idee aufkommen, dass Mechel hier dieselbe Zweiteilung einer Kunstbetrachtung nach einerseits normativ ästhetischen und andererseits historisch stilistischen Prinzipien einführte, die Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums bestimmte. Auch die Argumentation in der Ankündigung zum niemals erschienenen Catalogue raisonné zur Neuaufstellung im Oberen Belvedere, worin Mechel formuliert, dass er „bald die Kunst“ und „bald die blosse Geschichte“ angehen würde, lässt dieses Denkmuster annehmen.160 Denkanstöße für die Galerieaufstellung durch Mechel hält auch die Art und Weise bereit, wie Winckelmann die unterschiedlichen methodischen Hinsichten, den normati- ven und den historischen Diskurs, miteinander verknüpft. Die Trennung der beiden Aspekte wird in der Geschichte der Kunst des Alterthums nicht kohärent durchgezogen.161 Winckelmann beschrieb im ersten normativen Teil ebenso die Entwicklung der Kunst wie im zweiten historischen Teil die ideale Schönheit des Apoll von Belvedere, denn: „Das Wesen der Kunst aber ist in diesem sowohl als in jenem Theile der vornehmste Endzweck.“162 Einander überlagernde Prozesse lassen sich auch in der Galerieauf- stellung durch Mechel ausmachen, wo im ersten ,normativen‘ Stock die historische Entwicklung innerhalb der regionalen Schule oder eines Œuvres gezeigt, während im zweiten ,historischen‘ Stock die Kunst in ihrer „ganzen Entwicklung des Talents“163 dargeboten wird. Das „Wesen der Kunst“ würde nach Winckelmann in der Ausbildung eines regionalen oder nationalen Stils sichtbar werden, der jeder Kunstproduktion anhaften würde.164 So wären jeder antiken Nation ihr spezifischer Stil und ihre Stilentwicklung, die sie von allen anderen unterscheidet, eigen. Diese überindividuelle Ausdrucksform einer Region oder Nation verbindet sich bei Mechel mit dem Begriff der Schule. In Winckelmanns histori- schem System war die Periodisierung umso stärker, je reicher die Kunstentwicklung einer Nation war. Die Sequenz der am meisten entfalteten griechischen Kunst wies vier Epo- chen auf: auf den „älteren Stil“, der hart und eckig war, folgte der „große“, eigentlich ideale Stil im 4. Jahrhundert v. Chr. und der „schöne“, fließende und graziöse Stil im 5. Jahrhundert v. Chr., bis schließlich der „Verfall“, kein Stil, einsetzte und die griechische Abb. 37 „Dritte Wand, mit der Ausgangs-Thüre“ im ersten Zimmer („Gemälde der ersten Nieder- ländischen Meister“) der niederländischen Schule im zweiten Stock des Oberen Belvede- re. Digitale Rekonstruktion nach Mechel 1783 (Rekonstruktion: Autorin)
zurück zum  Buch Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1"
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
Band
1
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
312
Kategorie
Kunst und Kultur
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums