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71 Fischer
Kunst nach Ordnung, Auswahl und System
kung im Vorwort des Katalogs, es seien „unter so vielen Schätzen der Kunst […] nur sehr
wenig von den ersten florentinischen Künstlern, den Wiederherstellern der Malerey“ und
es habe Kaiser Franz II. – „eingedenk, daß die florentinische Malerschule lange Zeit der Rö-
mischen, Venezianischen und Lombardischen zum Muster gedienet hatte“222 – mit dem
Bildertausch endlich etwas zustande gebracht, was sich seine Vorfahren schon lange ge-
wünscht hätten, verweist Rosa auf diese theoretischen Grundlagen. Der Florentiner Schu-
le als einziger Mittlerin zwischen Mittelalter und Renaissance für die gesamte Malerei Itali-
ens hatte auch Luigi Lanzi in seiner einflussreichen – und mit dem Bildertausch zeitglei-
chen – Ausarbeitung italienischer Schulen, Storia pittorica della Italia, eine Sonderrolle
beigemessen.223 In der Ausbildung der Schulen habe sich ihr „carattere generale“ aller-
dings erst im Zeitraum nach den „pittori antichi“ durch die tonangebenden Schulhäupter
„Il Vinci, il Bonarruoti, il Frate, Andrea del Sarto“ ausbilden können.224 Rosa war sich dieses
Diskurses offenbar bewusst, visierte er doch zur Veranschaulichung der Malerschulen mit
der Wunschliste nicht die Maler des Quattrocento, sondern nur die prominenten Meister
des 16. und 17. Jahrhunderts an.
Neben der Florentiner war auch die römische Schule lückenhaft besetzt, worauf Rosa
mit der Anfrage nach Gemälden dreier Künstler reagierte. Vom angefragten Barocci war
nur ein kleinfiguriges Gemälde, Die Geburt Christi,225 gehängt; Cortona wurde zwar mit
zwei Werken verzeichnet, Wunder des hl. Martin von Tours und Paulus erhält durch Ananias
sein Augenlicht wieder;226 ersteres – wenig repräsentatives – Gemälde übernahm Rosa in sei-
ner späteren Hängung jedoch nicht mehr und letzteres kommentierte er als: „Eine Skize,
auf Leinwand. Das Original ist zu Rom in der Kapuzinerkirche nächst dem Palaste Bar-
berini.“227 Vom hoch geschätzten Salvator Rosa besaß die Galerie nur einen kleinformati-
gen Hl. Wilhelm von Maleval als Büßer228 und einen bezüglich der Zuschreibung angezwei-
felten geharnischten Krieger229: „Ich glaube, hieran den Pinsel des Guercino da Cento zu
erkennen.“230 Allerdings konnte die großformatige und vielfigurige Römerschlacht aus der
Sammlung Nostitz erworben werden. Von den gewünschten Meistern der Bologneser
Schule, Castiglione und Albani, gab es keine Gemälde in der Galerie.
Der äußerst geringe Bestand an französischen Meistern stellte seit jeher ein großes De-
fizit der kaiserlichen Sammlung dar, zumal in akademischer Kunstauffassung die Werke Abb. 46
„Erste Wand, auf der Seite der Schloß-Kapelle“
im vierten Zimmer („Gemälde aus der
Florentinischen Schule“) der italienischen
Schulen im ersten Stock des Oberen Belvedere.
Digitale Rekonstruktion nach Mechel 1783
(Rekonstruktion: Autorin)
Abb. 47
Fensterwand im vierten Zimmer („Gemälde
aus der Florentinischen Schule“) der italieni-
schen Schulen im ersten Stock des Oberen
Belvedere. Digitale Rekonstruktion nach
Mechel 1783 (Rekonstruktion: Autorin)
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Band
- 1
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorie
- Kunst und Kultur