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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
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98 Hoppe-Harnoncourt Altdeutsche Malereischule Von Paris bis Karlstein: Friedrich Schlegels Betrachtung altdeutscher Kunst Um 1800, als Europa bereits seit einigen Jahren im Bann der französischen Revolution und der damit verbundenen Kriege war, blickte die kunstinteressierte Welt nach Paris. Denn es waren nicht nur territoriale und politische Bestrebungen, die Frankreich antrieben, son- dern man nutzte die militärischen Erfolge, um Paris durch gezielten Kulturgütertransfer zum kulturellen Zentrum zu machen. Hauptwerke der Kunst aus Italien und den flämi- schen Gebieten waren im Louvre zu sehen.42 Bei der französischen Mission in Süddeutsch- land von 1800 bis 1801 hatte der zuständige Kommissär François-Marie Neveu den Auftrag, altdeutsche Kunst für das Pariser Museum auszuwählen. Dies entsprach nicht der geschmacklichen Vorliebe der Verantwortlichen, sondern resultiert aus dem Bestreben, die Eigenheiten aller Kunstschulen an einem Ort zeigen zu können.43 Ab 1802 hielt sich Friedrich Schlegel, der Hauptvertreter des frühromantischen Kreises, in Paris auf und berichtete in der Zeitschrift „Europa“ (1803–1805) über die im Musée Napoléon ange- sammelten Kunstwerke. In verschiedenen Beiträgen offenbart sich seine Hinwendung zu einer neuartigen, sich vom Klassizismus abhebenden Kunstbetrachtung:44 Nach Schlegels Ansicht fand die alte Kunst viel zu wenig Beachtung. Die altitalienische Malerei gäbe den ursprünglichen Begriff und Zweck der Kunst viel reiner und richtiger zu erkennen als die späteren Werke. Er bemerkte kritisch, dass die altdeutsche Kunst noch weitaus unbekann- ter sei, obwohl er sie als ebenso wichtig wie die altitalienische einstufte.45 An anderer Stelle sprach Schlegel voller Bewunderung über Albrecht Altdorfers Alexanderschlacht aus der Münchener Gemäldesammlung, die damals im Louvre zu sehen war. Er empfahl den heimischen Künstlern nach München zu pilgern, sollte es dort noch mehr derartige Werke geben. Schließlich äußerte Schlegel den Wunsch, dass ein „kunstliebender deutsch gesinnter“ Fürst alle noch vorhandenen, zum Teil aber zerstreuten Kunstdenkmäler mög- lichst in einer Sammlung altdeutscher Gemälde vereinigen möge.46 Diese Aufforderung wurde wohl hinsichtlich der damals zahlreichen Säkularisierungen deutscher geistlicher Fürstentümer und Klöster ausgesprochen. So wurden zu jener Zeit viele Kunstschätze aus altem kirchlichem Besitz entweder landesfürstlichen Sammlungen einverleibt oder verstei- gert. Auf diese Weise akquirierte die bayrische Gemäldesammlung unter Maximilian von Bayern zwischen 1802 und 1816 300 altdeutsche und altniederländische Gemälde.47 Auch Privatsammler nahmen nun die Möglichkeit wahr, alte Kunst zu kaufen. Ein promi- nentes Beispiel aus dem unmittelbaren Umfeld von Friedrich Schlegel sind die Brüder Melchior und Sulpiz Boisserée, in deren Nachfolge ab dem zweiten Jahrzehnt einige Privatsammler eine Vorliebe für altdeutsche Kunst entwickelten.48 Die Kreuzkapelle des Schlosses Karlstein bei Prag war nach wie vor mit vielen Heiligen- bildern des Theoderich von Prag ausgestattet, auch wenn die Hauptwerke der Altarwand seit 1780 in der Wiener Galerie waren. Friedrich Schlegel besuchte 1808, kurz nach seiner Übersiedlung nach Wien, das Schloss und besichtigte die verbliebenen Kunstschätze. Be- sonders beeindruckt zeigte sich Schlegel von den Heiligenköpfen des Theoderich von Prag: „Für das Auge am anziehendsten und für die Kunstgeschichte unstreitig am wichtigsten sind die Heiligenköpfe von Theodorich. Es sind derer etwa noch 120, alle meistens in ei- nem Format, Brustbilder etwas über Lebensgröße […]. Die Köpfe sind durchgehends aus- drucksvoll, weich von Blick und Farbe, viele von hoher Schönheit; wie man es schon weiß, daß die Köpfe auf den ältesten Gemählden zu seyn pflegen; sinnvoll und edel gestaltet, tief gefühlt und so glücklich und leicht hingemahlt, daß der neuere Künstler es wohl beneiden möchte.“49 Schlegel weist aber nicht nur auf die von ihm tief empfundene Schönheit der Gemälde hin, sondern betont auch ihre Bedeutung als Entwicklungsglied in der Kunstge- schichte: „Ich bin weit entfernt, den Theodorich von Prag als Mahler mit einem Giotto oder Gozzoli vergleichen zu wollen. Allein daß Theodorichs Bilder keineswegs gering zu schätzen sind, und ein sehr merkwürdiges Glied in der Entwicklung der fortschreitenden
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
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Titel
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Untertitel
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
Band
1
Autor
Gudrun Swoboda
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
312
Kategorie
Kunst und Kultur
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