Seite - 103 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
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Hoppe-Harnoncourt Altdeutsche Malereischule
Vater Rosa sen. erworbenen Kenntnisse sah er sich dazu in der Lage.85 Zum Beweis seiner
Kenntnisse verfasste Rosa 1820 ein weiteres handschriftliches Verzeichnis, in dem sich be-
richtigende Angaben finden: Beim Gemälde Tommasos da Modena ist vermerkt, dass die
Jahreszahl 1297 „irrig angegeben“ sei, wie auch der Name des Malers selbst, der „Toma-
so da Modena sich nannte, und zu Treviso 1352 arbeitete“.86 Trotz der Kritik an der Auf-
stellung war es Fügers hinterbliebenen Mitarbeitern Rosa jun. und Karl Ruß untersagt, in
die bestehende Gemäldeanordnung einzugreifen. Man erkannte zwar, dass eine „mehr
systematische Ordnung“ notwendig sei, wollte dies aber dem nächsten Galeriedirektor
überlassen.87 Offenbar wollte man wieder eine sinnvollere Anordnung der Gemälde, aber
nicht mehr jenes didaktische System, für das die Galerie im ausgehenden 18. Jahrhundert
so bekannt geworden war.
Das geistige Umfeld der Gemäldegalerie im Wandel
Eines der Ziele der akademischen Ausbildung in Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts
war es, das Niveau des heimischen Kunstschaffens wieder anzuheben. Füger selbst be-
zeichnete die Akademie 1812 als „Pflanzstätte vaterländischer Kunst“.88 Die Schüler listen
der ersten zwei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts bestätigen diese Einschätzung: „[…] zahl-
reiche Namen von bestem Klang aus Oesterreich, wie Daffinger, Petter, Carl Russ, Molitor,
Kriehuber, Waldmüller, Fendi, Hauslab, Erasmus Engert u.A. auch einer grossen Anzahl von
Künstlern aus Deutschland, der Schweiz und Italien“ würden der Wiener Akademie ihre
Bildung verdanken.89 Die Künstler des Lukasbundes sind frühe und extreme Akteure eines
beginnenden Wandels. Nachdem ihre wichtigsten Vertreter Wien 1810 Richtung Rom ver-
lassen hatten, bildete sich ein dem Lukasbund verbundener Künstlerkreis, dem Friedrich
Schlegels Stiefsohn Philipp Veith, die Brüder Olivier, die Brüder Schnorr von Carolsfeld, Jo-
seph Sutter sowie Johann Evangelist Scheffer von Leonhardshoff angehörten.90 Neben den
Malern war auch ein federführender bis in höchste politische Ebenen reichender Kreis von
der frühromantischen Bewegung erfasst. So etablierte sich im zweiten Jahrzehnt ein tief re-
ligiös geprägter Zirkel um Friedrich Schlegel und den Redemptoristenpater Clemens Ma-
ria Hofbauer. Unter ihnen war auch Graf (ab 1813 Fürst) Lothar Clemens Wenzel Metter-
nich, der 1811 zum Protektor der Akademie der vereinigten bildenden Künste gewählt
wurde.91 Trotz seiner geistigen Nähe zum Schlegelschen Umfeld blieb Metternich gegen-
über dem frühromantischen Künstlerkreis weiterhin ablehnend eingestellt.92 Dennoch
wird an der Akademie eine neue Künstlergeneration ausgebildet, die ab den 1820er Jah-
ren langsam Anteil an öffentlichen Aufträgen oder Posten hatte: Dies waren beispielswei-
se Ludwig Schnorr von Carolsfeld, der für den Kaiser in Laxenburg arbeitete, oder Karl
Ruß, der ab 1818 Kustos an der Wiener Gemäldegalerie war.93 Im zweiten Jahrzehnt er-
langte der ehemalige Schüler Fügers Johann Peter Krafft durch eine Kombination aus Rea-
lismus, Klassizismus und patriotischer Themenwahl eine wichtige künstlerische Position als
Maler und wurde später als Professor an der Akademie und ab 1828 als Galeriedirektor ein
einflussreicher „Kunstbeamter“.94 Im Jahr 1822 erhielt die Akademie der bildenden Küns-
te mit dem Vermächtnis des Grafen Lamberg-Sprinzenstein ihre eigene Gemäldesamm-
lung.95 Damit war die kaiserliche Galerie nicht mehr die primäre öffentliche „Lehrsamm-
lung“ der angehenden Künstler.
Aloys Primisser, Leiter der im unteren Belvedere untergebrachten Ambraser Samm-
lung, teilte gewiss viele Interessen mit dem romantischen Kreis in Wien.96 Er reiste Anfang
der 20er Jahre nach Karlstein, um, den Spuren Friedrich Schlegels folgend, die dortige
Kreuzkapelle zu besichtigen. Mit seiner Publikation darüber wollte er einen weiteren Bei-
trag zur Bekanntmachung der in seinen Augen wichtigen Kunstwerke leisten.97 Primisser
bezog sich auch auf die seit 1781 in Wien ausgestellten Gemälde: Die italienische Identi-
tät Tommasos da Modena galt mittlerweile als unbestritten. Doch bezeichnete er ihn als
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Untertitel
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Band
- 1
- Autor
- Gudrun Swoboda
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorie
- Kunst und Kultur